Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
dem Zeremonienmeister entgegen. Er blickte kurz auf das Ticket und sah mich finster an: »Hören Sie mal, das ist eine Kinderkarte!«
Das war mein Auftritt. Mit fester Bühnenstimme antwortete ich: »Da können Sie mal sehen, wie lange ich auf diesen Bus warten musste!«
Die ersten Grinser der Mitreisenden verwandelten sich schnell in Gekicher und lautes Gelächter. Die Knospen der bildschönen Nixen hüpften vor Freude links und rechts gegen die schlabberige Brust des geilen Greises.
Der Kopf des Kontrolleurs wurde so rot wie der »Bitte halten«-Knopf in der Haltestange vor mir. So eine Ausrede hatte er in dreißig Jahren Amtszeit bestimmt noch nicht gehört. Doch seine Miene blieb ernst: »Soll das ein Witz sein?«
Jetzt tat er mir fast leid.
»Ja, das war ein Witz!«, antwortete ich trocken.
»Darüber kann ich nicht lachen!«
Er nicht, alle anderen schon.
Dann erhellte sich sein Gesichtsausdruck und nahm sogar erste menschliche Busse, ääh, Züge an. »So eine Ausrede habe ich in dreißig Jahren Amtszeit noch nicht gehört. Hehe, aber nicht schlecht, nicht schlecht.« Mit einer Art Lächeln auf dem Gesicht brach er das Verhör ab und verabschiedete sich an der nächsten Haltestelle mit einem lauten »Schönen Tag noch!« von den Inhaftierten.
So geht es auch: Ein kleiner Scherz zur rechten Zeit, und selbst ein Montagmorgen im Nieselregen wird dein Freund. Hätte ja wenigstens einer klatschen können …
Aber manchmal braucht es nicht mal einen Scherz, um herzhaft lachen zu können. Glauben Sie nicht? Doch, das geht.
Ich wurde vor Jahren für ein Betriebsfest in Bonn gebucht. Die Firma feierte ihr einhundertjähriges Bestehen. Die Produktionshalle war festlich geschmückt, fast 2000 Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner nahmen erwartungsvoll Platz, und fast alle Anwesenden freuten sich auf meinen Auftritt. Plötzlich öffnete sich die Tür meiner kleinen Garderobe, und der Firmenbesitzer höchstpersönlich trat ein. Seine ganze Ausstrahlung ließ vermuten, dass er die Gründungspapiere des Unternehmens vor hundert Jahren selbst unterschrieben hatte. Er gab mir seine kalte Hand und sagte mit tonloser Stimme: »Herr Mockridge, ich bin nicht so auf Humor konditioniert. Meine Sekretärin hat Sie gebucht. Jetzt ist es zu spät. Aber vielleicht können Sie mir helfen.«
Na, das war ja mal eine herzliche Begrüßung. Ich versuchte trotzdem zu lächeln: »Ja, gerne, was kann ich für Sie tun?«
»Wissen Sie, Herr Mockridge, ich habe Probleme mit Witzen. Ich verstehe sie einfach nicht. Ich weiß nicht, wann und vor allem warum ich über sie lachen soll. Könnten Sie mir nicht ein Zeichen geben, damit ich erkennen kann, wann Sie gerade lustig sind?«
Warum nicht, dachte ich bei mir, in vielen deutschen Fernsehserien mit mehr oder weniger humorigem Hintergrund werden ja auch Lacher eingespielt, damit jeder Volldepp merkt, wann er zu lachen hat. Allerdings hatte ich keine Lacher-CD im Koffer.
Da kam mir eine andere Idee: »Das ist kein Problem. Ich fasse mir einfach kurz an die Nase, kurz bevor sich eine Pointe nähert. Wenn ich zweimal auf die Nase tippe kommt ein echter Brüller. Ist es diese Art Hilfe, die Sie meinen?«
Der Chef nahm meinen Vorschlag sichtbar erleichtert auf. Er gab mir erneut die feuchte Flosse, blieb in der Garderobentür stehen und sprach eindringlich: »Herr Mockridge, ich verlasse mich auf Sie!«
Ich legte meine Hand auf seine rechte Schulter und blickte ihm tief in die Augen. Der Vertrag war geschlossen, seine Seele war verkauft.
Mein Auftritt verlief großartig. Dr. Faust saß in der ersten Reihe und beobachtete jede meiner Bewegungen. Wie versprochen fasste ich mir kurz vor jeder Pointe an die Nase und sofort brüllte er laut auf oder versuchte zumindest, mit gutturalen Lauten ein Lachen zu imitieren. Nach einer halben Stunde bekam ich allerdings ein Problem: Mein inzwischen geröteter Zinken fing an, auf die Dauerberührungen meiner Fingerspitzen, mit stärker werdenden Juckreizen zu reagieren. Ich hatte nach weiteren fünf Minuten das Gefühl, ein Bienenschwarm hätte meine Nase als neue Behausung gewählt und feierte nun die Einzugsparty. Immer häufiger griffen meine Finger unkontrolliert nach meiner Nase, um den Insektenstaat zur freiwilligen Emigration zu bewegen. Jeden dieser Versuche quittierte der Chef des Hauses mit heftigem Gelächter. Leider auch den Part meines Vortrages, als ich, mit gutgewählten Worten und sehr bewegender Stimme, die schwierige Fahrt des
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