Je sueßer das Leben
und Madeline weiß, dass ihr das nicht leichtfällt.
Sie fächelt sich mit einer der neuen, von Connie ausgedruckten Speisekarten Luft zu. Die Backöfen sind ununterbrochen in Betrieb, und in der Küche ist es so heiß, dass sie rote Wangen hat. »Dieses Mädchen hat der Himmel geschickt, kann ich euch sagen. Ich habe fast das Gefühl, ich helfe ihr und nicht umgekehrt. Sie hat die Energie von hundert Männern, nein, Frauen, natürlich.«
»Ach, die Jugend.« Julia lächelt wehmütig. Sie versetzt Hannah einen leichten Stoß. »Ihr jungen Hüpfer lasst uns reifere Jahrgänge ganz schön alt aussehen.«
»Also so jung bin ich auch nicht mehr!«, widerspricht Hannah und hebt trotzig das Kinn. Sie versetzt Julia ihrerseits einen Stoß. »Und du bist nicht so alt.«
Julia grinst. »Auch wahr.« Sie nimmt den Ständer mit der Tageskarte. Es steht auch ein »Tee der Woche« darauf, der die Leute dazu bringen soll, losen Tee oder Teebeutel zu kaufen, und dazu ein besonderer Spruch. »Das gefällt mir«, sagt sie. »›Freunde sind mein Besitzstand.‹ Emily Dickinson.«
»Das ist Connies Idee«, sagt Madeline. Sie streckt den Arm nach dem nächsten Tisch aus und nimmt die Karte, die dort steht. »Auf jedem Tisch ist ein anderes Zitat zum Thema Freundschaft.« Sie reicht sie Hannah.
»›Die Zierde unseres Hauses sind die Freunde, die es besuchen‹«, liest Hannah. »Ralph Waldo Emerson. Das schreib ich ab und steck es in meine Brieftasche.«
»Es ist mir ein Rätsel, woher Connie all die Ideen hat«, fährt Madeline fort. »Sie hat einen Stempel mit dem Namen und der Adresse des Teesalons machen lassen. Den hat sie auf alle leeren Karteikarten gesetzt, so dass die Leute, wenn sie ein Rezept aufschreiben und mitnehmen, immer an uns denken. Das ist viel besser als eine normale Visitenkarte! Und die Frauen lieben sie.«
Genau in dem Moment geht Connie mit einer leeren Zigarrenkiste vorbei. Die Frauen verstummen und bedenken sie mit einem breiten, aufmunternden Lächeln. Connie hebt eine Augenbraue und füllt die Zigarrenkiste mit einer neuen Auswahl an Teebeuteln, geht aber, ohne etwas zu sagen, zurück ins Wohnzimmer.
»Oje, wahrscheinlich hat sie mitgekriegt, dass wir über sie reden.« Madeline seufzt, und Julia und Hannah fangen beide an zu lachen.
»Ach, sie weiß bestimmt, dass wir ganz harmlos sind«, sagt Julia. »Nur ein bisschen verrückt.«
»Ziemlich durchgeknallt«, berichtigt Madeline sie. »Komplett unzurechnungsfähig.«
Hannah lächelt, doch dann nimmt sie gedankenverloren einen Dessertlöffel und reibt mit dem Daumen über die Rundung. »Philippe will die Scheidung. Ich habe heute die Papiere von seiner Anwältin bekommen.«
Augenblicklich ändert sich die Stimmung am Tisch. »Oh, Hannah.« Julia nimmt ihre Hand, und Madeline steht auf und legt einen Arm um Hannahs Schultern.
»Rückblickend betrachtet wundert mich das nicht. Ich glaube, er hat deswegen darauf gedrängt, nach Avalon zu ziehen, damit er ein Haus kaufen und mich hineinsetzen kann, um dann in aller Ruhe und ohne dass ich etwas davon mitbekomme, zu überlegen, was er tun will. In meiner Naivität habe ich es ihm abgenommen, als er sagte, dass er in Avalon leben will, weil es ihn an seine Heimatstadt in Frankreich erinnern würde, so wie den ganzen anderen Mist.« Sie schüttelt über sich selbst den Kopf.
»Gib bloß nicht dir die Schuld«, sagt Julia. »Es bestand doch überhaupt keine Veranlassung, ihm nicht zu glauben.«
Hannah zieht die Nase kraus, sie ist nicht überzeugt. »Wenn ich jetzt so zurückblicke, sehe ich, dass es Hinweise gab. Ich habe sie nur lieber ignoriert.«
»Alles hat seine eigene Zeit«, wirft Madeline ein. »Du hast damals im besten Glauben gehandelt.«
»Aber ich hätte mir viel Leid erspart, wenn ich gar nicht erst geheiratet hätte«, sagt Hannah. »Warum habe ich mir das angetan, bewusst oder unbewusst, wenn ich mich am Schluss doch nur scheiden lasse? Ist doch wahr! Auf die Erfahrung könnte ich gut verzichten.«
»Das stimmt, aber dann wärst du nie in Avalon gelandet, und wir hätten dich nie kennengelernt«, erklärt ihr Madeline.
Julia unterbricht sie. »Ich weiß nicht. Genau solche Sachen haben mir die Leute damals auch gesagt, und ich konnte im Grunde nichts damit anfangen.« Schnell nimmt sie Madelines Hand, damit sie sich nicht beleidigt fühlt, und fährt fort. »Leute, die keine Ahnung hatten, wie es ist, ein Kind zu verlieren, haben mir erklärt, dass Josh jetzt an einem schöneren
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