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Je sueßer das Leben

Je sueßer das Leben

Titel: Je sueßer das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darien Gee
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Asien gereist, sie hatten wochenlang in irgendwelchen Dörfern gelebt, deren Einwohnerschaft nur einen Bruchteil von der Avalons ausmachte. Sie hatten Hütten gebaut, Wasser geschleppt, beim Kochen geholfen und eine rudimentäre gesundheitliche Versorgung angeboten. Sie hatten stundenlang den Dorfältesten zugehört, mit Kindern gespielt, die dazu nicht mehr als ein paar Steine, einen Stecken und ihre Fantasie brauchten. Ein Blatt war ein Vogel, ein Häufchen Erde ein Berg. Immer gab es etwas zu tun, und sie waren immer bereit weiterzuziehen. Edie entdeckte stets etwas, das sie interessierte, und das ist auch der Grund, warum sie sich in Avalon ein wenig verloren fühlt. Sie hat nicht erwartet, dass es hier so, nun ja, ruhig ist.
    Doch als sie jetzt die gebundenen alten Ausgaben der Gazette durchblättert, verspürt sie wieder die vertraute Erregung, die Nervosität, die einen überkommt, wenn man zu viel Kaffee trinkt und zufällig etwas herausfindet, was man nicht herausfinden soll. Dabei ist die Geschichte nicht einmal ein Geheimnis. Hier steht sie schwarz auf weiß. In der Zeitung aus der letzten Maiwoche des Jahres 2003.
    Der Bericht ist nicht besonders lang – die Zeitung hat noch nie mehr als magere sechzehn Seiten umfasst, von denen eine für Kleinanzeigen reserviert ist – und erstreckt sich nur über ein paar Absätze. Aber die reichen. Während Edie liest, wird ihr klar, dass Livvy einen tiefen Schmerz in sich trägt, eine Schuld, von der sie Edie bislang nichts erzählen wollte.
    Und das kann ihr Edie nicht einmal verübeln.

Kapitel 7
    Der Morgen war einmal Julias liebste Tageszeit. Sie ist eigentlich eine ausgesprochene Frühaufsteherin und sprang immer voller Tatendrang mit den ersten Sonnenstrahlen aus dem Bett. Für den Rest der Familie galt das nicht – sie wach zu bekommen war ein ewiger Kampf gegen die Schlummertaste des Weckers, gegen die kläglichen Proteste unter der Decke. Im Halbschlaf putzten sie sich die Zähne, noch nicht bereit, die Traumwelt gegen die Wirklichkeit einzutauschen.
    Aber inzwischen ist es Julia, die sich unter der Bettdecke versteckt und so tut, als schliefe sie noch, bis Mark und Gracie das Haus verlassen haben. Sie liegt im Bett, starrt an die Zimmerdecke und will nicht einmal an die Wäsche, das Mittagessen oder die Fahrt zum Kindergarten am Nachmittag denken, wenn sie Gracie abholen muss. Diese Alltagsaufgaben kommen ihr so sinnlos vor, so unwichtig. Ist sie wirklich deswegen auf der Welt? Um Küchentische abzuwischen und Krümel aufzukehren?
    Sie denkt an die Gespräche mit ihrer Mutter zurück, die sie in den ersten Tagen nach Joshs Tod praktisch keine Sekunde aus den Augen ließ. Ihre Mutter las jedes verfügbare Buch über Trauer, stellte Listen zusammen, sprach über irgendwelche Phasen, erklärte, dass die Trauer über den plötzlichen Tod eines Kindes sich stark von der über den Tod anderer Menschen unterschied. Als würde Julia das nicht am eigenen Leib erfahren.
    Aber – und es gab immer ein Aber – Julia würde irgendwann wieder ins Leben zurückfinden, erklärte sie dann mit Bestimmtheit. Es wäre nicht leicht, warnte ihre Mutter sie, aber es würde geschehen. Julia würde sich eine neue Welt, ein neues Leben aufbauen. Nicht nur für Gracie, sondern auch für Josh. In seinem Geiste, in Erinnerung an ihn. Als Julia das hörte, machte sie auf dem Absatz kehrt, ging in ihr Zimmer und weigerte sich für den Rest des Tages, mit ihrer Mutter oder sonst jemandem zu sprechen.
    Der Postbote hatte säckeweise Beileidsbekundungen gebracht, schrecklich kitschige Trauerkarten, die nie den richtigen Ton trafen und die Sache manchmal sogar noch schlimmer machten. Einer hatte geschrieben: »Du wirst es bald geschafft haben.« Ihr Sohn war gerade gestorben, aber sie würde es bald geschafft haben, gerade so, als liefe sie einen Marathon. Nun, das war fünf Jahre her, und die Ziellinie war nach wie vor nicht in Sicht.
    Julia dreht sich um und starrt auf Marks Seite des Betts, die Seite, auf der er längst nicht mehr schläft. Sie ist allein in diesem Schiff von einem Bett, fast zwei Meter fünfzig mal zwei Meter fünfzig, das sie sich gleich nach dem Kauf des Hauses geleistet hatten. Die Entscheidung war ihnen fast so schwergefallen wie die für das Haus – sollen wir es nehmen oder nicht, sollen wir nicht besser noch warten und so fort –,aber zu guter Letzt entschlossen sie sich dazu, auch wenn es bedeutete, dass sie mehr arbeiten mussten, um für die zusätzliche

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