Je sueßer das Leben
welche mitnehmen. Nur hatten leider offenbar einige der anderen Kinder dieselbe Idee. Jetzt kursieren mehr als zwanzig Beutel mit Freundschaftsbrotteig in der kleinen Montessori-Schule. Die anderen Kinder wurden offenbar von ihren Müttern instruiert, auf keinen Fall einen neuen Beutel mit nach Hause zu bringen, und Gracie hat enttäuscht ihre wieder heimgebracht.
Und deshalb backen sie jetzt.
Die vier Beutel werden sich nächste Woche vervierfacht haben. Als Haushaltsvorstand traf Julia die Entscheidung, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Beutelflut einzudämmen. Einen Beutel Teig hat sie beiseitegelegt, weil sie es mittlerweile schätzt, immer etwas davon zu Hause zu haben und regelmäßig backen zu können.
Ein paar Laibe wird sie Mark fürs Büro mitgeben, und die Nachbarn sollen auch nicht zu kurz kommen. Nächste Woche werden sie dann die üblichen drei Beutel zu verteilen haben, und alles wird wieder seinen gewohnten Gang gehen.
Julia tauscht mit Madeline Rezepte aus, und Hannah durchforstet das Internet nach neuen Varianten. Inzwischen telefonieren sie täglich miteinander, und Julia freut sich auf die Gespräche. Gestern schlug Madeline vor, dass sie sich wenigstens einmal alle zehn Tage treffen sollten, je nachdem, wann sie ihre Teige teilen und backen, und heute ist es wieder so weit. Sie haben sich nach Ladenschluss im Teesalon verabredet. Mark hat sich bereiterklärt, früher nach Hause zu kommen und auf Gracie aufzupassen. Julia fiebert dem Treffen regelrecht entgegen.
Die Sonne fällt durch das Küchenfenster. Nein, sie hat wirklich keine Lust, das ganze Geschirr abzuspülen! Lieber tut sie etwas anderes. Gracie hüpft vergnügt durch die Küche, und Julia beschließt, das Radio anzudrehen.
Sie spielen gerade einen alten Song von Crosby, Stills und Nash, und Gracie, die den Song gar nicht kennt, fängt sofort an zu tanzen und mit ihren kurzen Ärmchen in der Luft herumzuwedeln.
Julia muss lachen, als sie ihre Tochter so sieht. Gracie trällert mit, immer einen Takt zu spät. Julia geht das Herz in der Brust auf. Sie kann gar nicht mehr aufhören zu lachen. Sie ist glücklich. Glücklich . Wenn sie an nichts sonst denkt, ihre Aufmerksamkeit auf nichts anderes als diesen Moment in ihrer völlig chaotischen Küche richtet, dann ist Julia glücklich. Sie hat schon früher mit Gracie gelacht und kürzlich auch mit Hannah und Madeline, aber es hatte immer etwas Gezwungenes gehabt. Etwas Verkrampftes. Jetzt dagegen hat Julia das Gefühl, als hätte sich in ihrem Inneren etwas gelöst.
Sie streckt die Arme in die Luft und fängt an zu tanzen.
Mark geht die Treppe zu Vivians Wohnung hoch. Sie wohnt in einer hübschen Anlage am Stadtrand, urbaner und moderner als die sehr viel älteren Einfamilienhäuser in Avalon. Er hat das Brot und das Perrier, obwohl die Frau im Laden von kohlensäurehaltigen Getränken bei Magenverstimmung abgeraten hat. Sie hat Apfelsaft empfohlen, und deshalb hat er auch davon eine Flasche gekauft. Dann erinnert er sich daran, dass Gracie letztes Jahr einen Magen-Darm-Infekt aufgeschnappt hatte. Bananen, Apfelmus und Salzcracker waren das Einzige gewesen, was sie bei sich behalten konnte, und so hat er auch das noch mitgenommen.
Er hat beschlossen, nicht anzuklopfen, sondern die Sachen vor die Tür zu stellen und Vivian dann von unterwegs aus anzurufen, um ihr Bescheid zu geben. Dass er das alles überhaupt macht, ist dumm, aber dann sagt er sich, dass er für Victor dasselbe machen würde. Auch für Dorothy. Es ist wirklich nichts Besonderes.
Gerade als er auf dem Treppenabsatz ankommt, öffnet sich die Tür, und da steht Vivian, züchtig in einen Seidenbademantel gehüllt, an den Füßen niedliche, eigentlich gar nicht zu ihr passende rosa Flauschpantoffeln. Ihre Haare hat sie zu einem lockeren und ein bisschen zerzausten Knoten hochgesteckt – selbst krank ist sie umwerfend hübsch. Allerdings ist sie auch recht blass, und trotz ihres Lächelns sieht sie aus, als würde sie sich erbärmlich fühlen.
»Dachte ich doch, dass du es bist. Ich wollte nicht, dass du wieder verschwindest, ohne dass ich mich bedanken konnte.«
»Ja, dann.« Mark weiß nicht, ob er ihr die Tüte einfach geben soll. Sie ist mit den Flaschen darin ziemlich schwer. »Soll ich das irgendwohin abstellen?«
»Bitte.« Vivian tritt einen Schritt beiseite, und Mark geht durch die Tür.
Ihm fällt sofort auf, wie gepflegt und makellos alles ist. Genau wie Vivian. Die Wohnung ist exklusiv
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