Je sueßer das Leben
aufsuchen, um zu lernen, wie wir besser miteinander umgehen. Nicht, dass wir wieder zusammenkommen oder etwas in der Art …«
Julia hört aus Hannahs Stimme eine vage Hoffnung heraus. Sie kann verstehen, dass Hannah es noch einmal versuchen will, aber der Gedanke, dass diese schöne junge Frau ihr Leben an jemanden verschwenden könnte, der ihre Liebe nicht erwidert oder sie nicht in der Weise achtet, wie sie es verdient, macht sie traurig. Wie gut muss man jemanden kennen, bevor man ihm sagen kann, was man wirklich denkt?
Julia kennt Philippe nicht, und sie weiß auch nichts Näheres über die Ehe der beiden. Es geht sie im Grunde auch gar nichts an. Nur zu gut erinnert sie sich noch daran, wie sie sich immer aufgeregt hat, wenn ihre Mutter ihr ungefragt Beziehungsratschläge gab. Aber Julia ist nicht Hannahs Mutter. Sie ist eine Freundin, eine neue Freundin, die die Situation vielleicht ein bisschen objektiver betrachtet, die sieht, was mit der jungen Frau vor ihr geschieht. Julia möchte, dass Hannah glücklich ist, und das erste Mal seit langer Zeit möchte sie das auch für sich.
Sie beschließt, nichts zu sagen, und macht Hannah stattdessen Komplimente über ihr Haus, wie perfekt alles zusammenpasst.
»Ach, das war Philippe«, sagt Hannah und errötet, dann deutet sie auf einige kostspielige Kunstwerke, die mit geschickter Hand arrangiert sind. »Er hat genaue Vorstellungen, wo was hingehört und wie alles aussehen soll.«
»Das meine ich gar nicht. Ich finde, du hast das Haus in ein Zuhause verwandelt, Hannah.« Julia erkennt in allem Hannahs Handschrift, die weibliche Note, dank derer die vorherrschende Strenge etwas gemildert wird.
Auf dem Kaminsims stehen mehrere Fotos in Porzellanrahmen, die sich alle leicht voneinander unterscheiden und gleichzeitig ergänzen. Auf den Fotos sieht man Hannah, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, und auf jedem hält sie ein Cello.
Julia betrachtet eines der Bilder genauer. »Du siehst so jung darauf aus. Wann hast du denn mit dem Spielen angefangen?«
»Mit fünf.«
Fünf. So alt, wie Gracie jetzt ist. »Hättest du vielleicht Lust, meiner Tochter Unterricht zu geben?«, fragt Julia unvermittelt. Sie weiß nicht, ob Gracies Aufmerksamkeitsspanne schon ausreicht, um ein Instrument zu erlernen – darüber hat sich Julia bislang noch keine Gedanken gemacht.
Hannah sieht sie erfreut an. »Hat sie denn Lust?«
»Keine Ahnung. Sie singt und tanzt sehr gerne. Ich hatte nie irgendwelchen Musikunterricht, aber Mark hat ein paar Jahre lang in der Schulband Trompete gespielt. Hoffentlich hat sie mehr musikalisches Talent als ihre Eltern.« Julia streicht behutsam über den Rahmen. Eine winzig kleine Hannah mit geflochtenen Zöpfen und einem schlichten Pulli hält einen Bogen und ein Cello und strahlt über das ganze Gesicht. Ihre Eltern stehen stolz hinter ihr. »Ihr macht alle einen so glücklichen Eindruck. Ich will, dass Gracie glücklich ist.« Julia wirkt plötzlich entschlossen. »Wie viel kostet eine Stunde?«
Hannah runzelt nachdenklich die Stirn. »Hm, keine Ahnung. Vielleicht sollte sie erst einmal eine Probestunde nehmen, damit wir sehen, ob sie überhaupt Freude daran hat. Sonst hat es überhaupt keinen Sinn. Was meinst du?«
Julia erwärmt sich immer mehr für die Idee. Gracie wird entweder begeistert sein, oder sie wird es nicht ausstehen können, aber das will sie herausfinden. »Hört sich gut an.«
Hannah entschuldigt sich, geht in die Küche und stellt Wasser auf. Sie ruft Julia zu: »Ich habe leider keine so große Teeauswahl wie Madeline. Bist du mit schwarzem Tee einverstanden? Ich habe welchen mit Zitrus, Vanille und Lavendel.«
Julia sieht einen UPS -Lieferwagen am Straßenrand halten und einen jungen Mann aussteigen. »Ja, gerne.«
Julia legt Joy of Cooking zurück auf den Tisch. Sie sieht, wie der UPS -Mann mit einem Paket unter dem Arm auf Hannahs Haustür zuläuft. Das ist doch nicht möglich! Julia durchquert rasch das Wohnzimmer und reißt die Haustür auf, noch bevor er Gelegenheit hat, die Klingel zu drücken.
Überrascht reißt er die Augen auf. »Mrs. Evarts?«, fragt er.
»Jamie«, flüstert sie. Es ist Jamie, einer von Peter Lindes älteren Brüdern. Peter ist – war – Joshs bester Freund. Julia erinnert sich noch daran, dass Jamie damals gerade dabei war, seinen Collegeabschluss zu machen, aber das ist mehr als fünf Jahre her. Nach Joshs Tod brach der Kontakt zu den Lindes ab, Julia rief nie zurück, wenn Sandra Linde
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