Je sueßer das Leben
ganzen Tag zuhören könnte. Edie meint es ernst mit ihrem Anliegen, die Welt zu verbessern, und Livvy möchte ihr dabei helfen, selbst wenn sie nicht genau versteht, was sie tun.
Da ist noch etwas an Edie, das Livvy mag, nämlich dass sie nie etwas Schlechtes über Richard sagt, nie über ihn klagt oder über ihn herzieht, anders als Carol und Jo Kay, die ständig über ihre nervenden Kinder und faulen Ehemänner jammern. Richard und Edie sind nach Mark und Julia das Paar, das Livvy eines Tages mit Tom sein möchte.
Sie spürt Edies Augen auf sich ruhen, blickt jedoch nicht auf, weil sie Angst hat, dass sie sich verraten oder wieder etwas Dummes sagen könnte.
»Weißt du was, ich hab eine Idee«, sagt Edie. Sie wischt sich die Hände an einer Serviette ab und steht auf. »Hast du Lust, mich zu begleiten, wenn ich einen Schwangerschaftstest mache?«
Auf ein Stäbchen zu pinkeln ist wirklich erniedrigend. Edie hat in dem Dritte-Welt-Land, in dem sie lebte, zwar schon merkwürdigere Dinge getan, aber Avalon ist kein Dritte-Welt-Land. Richard würde sich kaputtlachen, wenn er das mitbekäme.
Seufzend lässt sich Edie in der winzigen Kabine auf dem Toilettensitz nieder. Sie macht das nur, weil sie das Gefühl hat, es Livvy zu schulden, die sich sonst vielleicht vor den Kopf gestoßen fühlen könnte. Sie hätte das nie gedacht, aber Livvy ist Teil von Edies Leben geworden, und Edie hat sich an sie gewöhnt, sie freut sich inzwischen sogar auf die Kaffeepausen und das gemeinsame Pizzaessen. Als Livvy plötzlich so unglücklich aussah, beschloss Edie daher, das eine vorzuschlagen, von dem sie wusste, es würde Livvy aufheitern.
»Siehst du schon was?«, hört sie Livvys Stimme vor der Tür. »Ein Minus bedeutet, dass du nicht schwanger bist. Plus bedeutet, dass du es bist.«
»Da ist noch nichts zu erkennen, Livvy. Ich bin doch gerade erst hereingekommen.« Langsam läuft das Stäbchen rosa an. Sieht nach einem Minus aus, Gott sei Dank. Nicht, dass sie sich irgendwelche Sorgen gemacht hätte, aber …
»In der Gebrauchsanweisung steht, dass es länger dauern kann, wenn die Schwangerschaft noch ganz am Anfang ist.« Livvy hat eine Marke ausgesucht, die verspricht, eine Schwangerschaft mit größter Genauigkeit bereits fünf Tage vor Fälligwerden der Periode anzuzeigen. Die Schachtel mit den zwei Tests plus einem »Gratistest« hat immerhin knapp achtzehn Dollar gekostet. Wie zuverlässig kann so ein Test sein, fragt sich Edie, wenn man drei davon braucht?
Die Ausgabe fiel ihr nicht leicht – für diese Summe könnte man in Afrika, wo alle dreißig Sekunden ein Kind an Malaria stirbt, leicht drei Moskitonetze bekommen. Grrr. Aber Edie zwang sich, das große Ganze im Blick zu behalten. Je früher sie für die großen Zeitungen arbeiten konnte, desto mehr Geld stand ihr zur Verfügung, mit dem sie dann sehr viel mehr Gutes tun konnte.
»Und jetzt?« Livvys Stimme klingt gleichermaßen aufgeregt wie besorgt.
Edie schließt die Tür auf und zeigt Livvy das Stäbchen. »Minus.« Sie wirft es in den Mülleimer, dann wäscht sie sich die Hände.
»Was redest du da, Edie? Das war doch ein Plus.« Livvy geht zu dem Mülleimer und fischt das Stäbchen mithilfe eines Papierhandtuchs wieder heraus. »Siehst du?«
Tatsächlich, da ist ein rosa Pluszeichen auf weißem Grund.
Edie schnappt sich die Gebrauchsanweisung. Livvy muss sich verlesen haben.
Auch Livvy scheint ein wenig überrascht zu sein, so als hätte sie nicht erwartet, dass Edie schwanger sein könnte. Aber im nächsten Moment fängt sie an zu lachen und umarmt Edie. »Herzlichen Glückwunsch! Du solltest das Ding einwickeln und Richard zeigen. Was meinst du, wird er sagen?«
Edie hat keine Ahnung. Wahrscheinlich wird er sich freuen, nachdem er wiederholt irgendwelche Andeutungen zum Thema Kinder und Heiraten gemacht hat, auch in der umgekehrten Reihenfolge. Aber er ist nicht derjenige, der die Schwangerschaft und die Geburt durchstehen muss.
»Das kann nicht stimmen«, sagt sie stattdessen. Sie überfliegt noch einmal die Gebrauchsanweisung und schließlich noch ein drittes Mal, und anschließend mustert sie erneut das Stäbchen. »Hier heißt es, dass die Möglichkeit besteht, dass fälschlicherweise ein positives Ergebnis dabei rauskommt …« Sie schüttelt die Schachtel, in der die beiden anderen Stäbchen liegen. Sie sind einzeln verpackt. »Ich mache noch einen. Und du machst den anderen.«
»Ich?« Livvy sieht verwirrt aus.
»Als Kontrollgruppe.«
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