Je sueßer das Leben
wir nicht mal was miteinander. Wir sind noch nicht mal richtig miteinander ausgegangen!« Ihr Lachen klingt jetzt fast hysterisch, echte Tränen rollen über ihre Wangen. Sie macht der Kellnerin ein Zeichen, dass sie einen weiteren Cocktail möchte. »Wenn mir ein Kerl, mit dem ich noch nicht mal geschlafen habe, eine Trennungsansprache hält, dann hab ich ein echtes Problem. Himmel!« Sie bricht wieder in Gelächter aus.
»Vivian, ich habe dir nicht irgendeine blöde Ansprache gehalten, ich habe das völlig ernst gemeint …«
»Ernst? Oh-oh. Folgt jetzt etwa die Es-liegt-nicht-an-dir-es-liegt-an-mir-Ansprache?« Sie hebt eine Augenbraue. »Ich bin nämlich eine ganz tolle Frau!«, sagt sie sarkastisch.
»Du bist wirklich eine tolle Frau, Vivian«, sagt Mark. »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verärgern.«
»Bitte hör endlich auf damit, immer so ein netter Kerl zu sein, Mark!« Vivian nimmt eine Serviette und wischt damit die Tränen weg. Langsam beruhigt sie sich wieder. Ihre zweite Margarita kommt, und ohne die Kellnerin eines Blickes zu würdigen, nimmt sie das Glas und nippt daran. Sie bedenkt Mark mit einem wütenden Blick. »Die Welt hat noch keinen größeren Märtyrer als dich erlebt«, zischt sie. »Nie ist es dein Fehler, nie kann man dir für irgendetwas die Schuld geben, weil du eine solche Tragödie durchmachen musstest. Aber wir haben alle irgendwelche Tragödien erlebt, Mark. Du bist nicht der Einzige.«
Mark spürt, wie er sich innerlich anspannt. »Ich habe mein Privatleben nie als Entschuldigung für berufliche Dinge benutzt«, presst er hervor.
»Das musst du ja auch nicht! Das machen schon die anderen für dich. Der arme Mark, er braucht einfach etwas Zeit. Der arme Mark, seine Frau spricht nicht mehr mit ihm.«
»Du hast keine Ahnung von Julia. Du kennst sie ja nicht mal.« Er überlegt, ob er aufstehen und gehen soll. Oder sie feuern.
Vivian sieht ihn angewidert an. »Ach, bitte. Wir arbeiten doch nicht in einem von diesen anonymen Riesenunternehmen, Mark. Glaubst du etwa, dass die Kollegen nicht miteinander reden? Und hör dir nur mal zu, du verteidigst sie schon wieder. Der gute Mark, immer bereit, für seine Frau in die Bresche zu springen! Ist er nicht toll? Er kann zwar keinen Kunden halten und hat die eine Chance, richtig erfolgreich zu werden, in den Sand gesetzt, aber er ist doch ein so guter Kerl!« Sie trinkt ihren Cocktail aus und packt ihre Handtasche. »Was muss eigentlich passieren, damit du eine Gelegenheit ergreifst, die sich dir bietet, und dich durchsetzt? Bruno hält dich einfach für zu schwach, deshalb will er dir das Projekt wieder wegnehmen.« Sie steht auf und sieht ihn mit funkelnden Augen höhnisch an. Provozierend. »Sei endlich ein Mann, Mark.«
Der oberste Knopf ihrer Bluse ist aufgesprungen. Mark sieht die zarte Spitze ihres BH s, die sanfte Wölbung ihrer Brust. Vivian hat recht. Er hat sich wie ein Schwächling verhalten, voller Angst, etwas falsch zu machen, immer darauf bedacht, keinen Streit zu provozieren, weil er es allen recht machen will.
Er sieht, wie Vivian schwankt und um ihr Gleichgewicht kämpft, ein Meter fünfundsiebzig plus die hohen Absätze der Slingpumps. Sie ist selbst betrunken sexy.
Mark wirft ein paar Scheine auf den Tisch und steht auf, nimmt Vivian am Ellbogen. »Ich weiß, was du jetzt brauchst«, sagt er mit leiser Stimme.
Sie sieht ihn unter halbgesenkten Lidern an und lehnt sich an ihn. Sie hat gerade die richtige Größe – körperlich passen sie gut zusammen, denkt er. Julia ist beinahe ein bisschen zu groß, fast so groß wie er, sie passen auch gut zusammen, aber eben nicht ganz so gut.
»Was brauch ich denn?«, flüstert Vivian. Sie lallt ein wenig. »Sag’s mir.«
Mark führt sie durch die Bar und spürt, wie ihre Hand verheißungsvoll über seinen Arm streicht. Als sie die am Eingang stehende Empfangsdame erreichen, sagt er: »Du brauchst etwas zu essen. Einen Tisch für zwei, bitte.«
»Philippe?« Hannah ist hinter das Podium gegangen, das Konzert ist seit einer halben Stunde vorbei. Es war fantastisch, eine Auswahl von Beethoven, unter anderem die Ouvertüre zu Fidelio, op. 72, die sie schon immer sehr gemocht hat. Die Musik hat sie in Hochstimmung versetzt, und auch Julia glüht vor Begeisterung.
Julia überraschte sie beide, als sie beschloss, sich vor ihrer Rückkehr ins Hotel auf den Empfang zu wagen. Hannah ist in Plauderlaune und bleibt immer wieder stehen, während sie sich einen Weg durch die
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