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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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Erfüllung.
    Ich war zu einem Symbol für das Überleben geworden – was aber nicht heißt, dass ich immun wäre gegenüber seinen Auswirkungen, und eine der emotionalen Fallen des Überlebens ist die Jagd nach dem Glück. Du jagst der Freude hinterher, begeistertund beglückt, und sagst dir selbst, dass du keinen Moment deines Lebens an etwas verschwenden darfst, das deinen Zielen nicht dient. »Warum soll ich das machen?«, ist eine Frage, die ich mir mehr als einmal gestellt habe. Doch die Jagd nach dem Glück ist stets vergeblich. Pures Glück ist ein Seil, das dir durch die Hände gleitet, ein samtiges Etwas, das deinem Griff entgleitet. An seine Stelle treten Zwänge, harte Arbeit, Neuanfänge, Verpflichtungen, tausend kleine lästige Dinge und der Alltag.

Kapitel 6
    Der »Blaue Zug«
    S tellen Sie sich dieses Bild vor: 200 Radrennfahrer jagen mit 70 Sachen eine enge Straße hinunter, jeder versucht, sich an die Spitze vorzudrängen, sie schieben, stoßen, rempeln, schlagen, schneiden einander den Weg ab und setzen sogar über Bordsteine hinweg, um sich nach vorne zu kämpfen. Manche würden Reifenspuren auf deinem Rücken hinterlassen, wenn du sie nur lassen würdest. Das ist nur einer von vielen Aspekten, in denen die Tour de France die Härte des Lebens widerspiegelt.
    Es braucht acht Fahrer vom U.S. Postal Service Team, um mich in einem Zug – ganz zu schweigen davon, auf dem ersten Platz – über die Ziellinie zu bringen. Radrennen ist weitaus mehr ein Teamsport, als das den meisten Zuschauern bewusst ist, und wenn ich in Paris alleine auf dem Siegerpodest der Tour de France stehe, dann ist das eine Schande, deretwegen man sich in einem Mauseloch verkriechen sollte. Als ob ich das alleine geschafft hätte! Ich kann mich nach 3500 oder mehr Kilometern doch nicht einfach hinstellen und sagen: »Hey, Leute, schaut mal, was ich gemacht habe!« Wenn ich das Gelbe Trikot trage, dann, so sehe ich das, habe ich den Reißverschluss verdient. Der Rest, die Ärmel, das Vorder- und das Rückenteil, gehört den Jungs.
    Die Tour de France provoziert eine interessante Frage über dieNatur des Teamworks: Warum sollten neun Fahrer drei Wochen lang schwitzen und schuften, wenn nur einer von ihnen, nämlich ich, am Ende die Trophäe erhält? So etwas erfordert einen extremen, vielleicht sogar übermenschlichen Grad an Selbstaufopferung. Andererseits aber weiß jeder einigermaßen intelligente Sportler (oder einfach jeder Mensch), dass, so hart Selbstaufopferung auch sein mag, Egoismus noch schlimmer ist und ein Team zum Untergang verurteilt. Was man dann hat, ist kein Team, sondern ein Haufen von Einzelkämpfern, die zufällig die gleichen Trikots tragen.
    Ein großes Team ist eine mysteriöse Sache, schwer zusammenzufügen, geschweige denn zu kopieren, und es gibt weitaus mehr schlechte Teams auf der Welt als gute. Sehen Sie sich doch um. Viele Gruppen stehen gemeinsam harte Kämpfe durch und doch wird aus ihnen kein Team. Für diese Erkenntnis reicht ein Blick auf die großen Profi-Ligen im Sport oder auf das moderne Geschäftsleben. Teamwork ist ein ebenso ausgelutschter wie überstrapazierter Begriff, ein Begriff, den alle Welt immerzu im Munde führt, den Experten zu erklären und definieren suchen und über den Scharlatane scharenweise Bücher verfassen, den aber wenige wirklich verstehen.
    Kein Wunder. Teamkollegen stehen in einer eigenartigen, irgendwo zwischen Bekanntschaft und Verwandtschaft schwankenden Beziehung zueinander. Meiner Meinung nach sind Menschen dazu geschaffen, in Gruppen zusammenzuarbeiten, und nicht dazu, alleine vor sich hin zu wursteln. Demzufolge ist ein bestimmtes Maß an Selbstaufopferung keineswegs unnatürlich, sondern im Gegenteil nur natürlich. Immerhin: Seit es Menschen gibt, schließen sie sich in Gruppen zusammen, um gemeinsam etwas zu erreichen.
    Wer sich rückhaltlos in ein Team einbringt, garantiert sich damit eine Rendite auf seine Investition, und das ist ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen, weniger von einem Zusammengehörigkeitsgefühl beseelten Teams. ImPostal-Team investieren die Fahrer gegenseitig ineinander – was uns oft das Gefühl gibt, dass wir gegen Teams antreten, die sich lediglich selbst verbrauchen. Was ist klüger, investieren oder verbrauchen? Investitionen implizieren ein langfristiges und anhaltendes, kein flüchtiges, nur oberflächliches Engagement, und sie zielen auf langfristige Erfolge ab.
    Es hat Zeiten gegeben, in

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