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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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längsten Etappenrennens der Welt zu stellen – und zwar allein um der Ehre des Dabeiseins willen. Alle drei sind riesige Männer mit steinernen Gesichtern und harten Körpern, und manche Leute trauen sich wegen ihres Furcht einflößenden Äußeren kaum, sie anzusprechen, aber in Wahrheit sind sie drei große Teddybären, die auf der Tour jeden Tag alles gaben und immer schauten, wo gerade Not am Mann war. Sie schirmten mich ab gegen nahezu 200 Konkurrenten, die mir ans Leder wollten, schützten mich vor Stürzen und Remplern, jagten bei Ausbruchsversuchen den flüchtigen Fahrern hinterher, brachten mir Trinken und Essen und ließen mich in ihrem Windschatten fahren. Je länger sie sich vor mir halten konnten, desto länger waren am Ende des Tages meine Beine frisch.
    Über meinen alten Freund, den Olympiasieger Ekimow, sagteich gerne, er sei »eisern«. Er klagte niemals, jammerte niemals, brachte immer Leistung. Jemand mit so einer Einstellung war uns viel lieber als ein millionenschwerer Talentbolzen, der nur dann hart fährt, wenn er gerade Lust hat.
    Ekimow war nach der Saison 2001 zurückgetreten. Aber es dauerte nicht lange, bis er das Radrennen vermisste, und im Februar, wir waren bereits im Trainingslager in Europa, rief er Johan an. Er wolle wieder Rennen fahren. Ob in unserem Team noch ein Platz für ihn frei sei? »Für dich ist immer ein Platz in unserem Team«, antwortete Johan. Eki fing an zu trainieren, aber keiner von uns glaubte ernsthaft daran, dass er bis zum Beginn der Tour fit genug für das Rennen sein würde. Dann, typisch für Eki, tauchte er Anfang Mai im Trainingslager auf, bereit für das Rennen und am besten in Form von uns allen.
    Johan beobachtete ihn einige Tage, dann ging er zu ihm hin und sagte: »Eki, wie stehst du zur Tour de France dieses Jahr?« »Was soll das heißen: Wie ich dazu stehe?«
    »Würdest du sie gerne machen?«
    »Klar, ich würde sie liebend gerne machen.«
    »Nun, dir bleibt keine Wahl. Du musst sie machen. Wir brauchen dich.«
    Ab diesem Moment war Ekimow einer unserer frischesten Fahrer, mit der Mentalität eines jungen Heißsporns, so begeistert davon war er, wieder mit dabei zu sein, und so glücklich über jeden Tag, den er auf dem Rad verbringen konnte.
    Wenn sie nicht im Sattel saßen, glänzten unsere beiden jungen Spanier, Roberto Heras und José Luis »Chechu« Rubiera, mit vorzüglichen Manieren, aber auf dem Rad kletterten sie die Berge so schnell hoch, dass einem schon vom Zusehen die Beine zu schlottern begannen. Heras ist relativ schmächtig und zurückhaltend, aber wenn er auf dem Rad einen Berg hochklettert, wirkt er so hyperkinetisch und aufgedreht wie ein Kolibri. Er fährt so gut, dass ich zuzeiten Probleme hatte, das Tempo, das er vorgab, zu halten.
    Chechu lacht gerne und viel und gehört zu den besonders geselligen und beliebten Männern in unserem Team. Aber er kann auch sehr ernsthaft sein, was sich schon daran zeigte, dass er als Student der Ingenieurwissenschaften seine Lehrbücher mit in den Teambus brachte. Beide gaben auf dem Rad alles, egal, wie erschöpft sie waren oder wie sehr sie litten. Sie schonten sich niemals und hatten, wie es schien, nicht einen einzigen schlechten Tag – oder jemals schlechte Laune.
    Dann war da noch Floyd Landis, der Junge mit den 13 Cappuccinos. Irgendwann in diesem Frühjahr, wir waren wieder einmal zu zweit auf den Rädern außerhalb von Gerona unterwegs, wandte ich mich zu ihm um und sagte: »Was meinst du, wen sollen wir für die Tour auswählen?«
    »Das liegt doch auf der Hand. Mich natürlich«, antwortete er. Ich lachte. Dann zählte ich unsere sieben besten Fahrer auf – und fügte noch hinzu: »Und dich natürlich.«
    Floyd hüpfte nahezu vom Rad, so begeistert war er. »Echt? Echt?«
    »Wenn du dich weiter so ins Zeug legst wie bisher, dann schon«, meinte ich.
    Das letzte große Vorbereitungsrennen vor der Tour war die Dauphiné Libéré in Frankreich. Ich gewann die Rundfahrt – und Floyd wurde Zweiter. Für Floyd war es der erste größere Erfolg bei einem Rennen in Europa, eine herausragende Platzierung für einen Novizen, und es war klar, dass wir mit ihm die richtige Wahl für die Tour getroffen hatten. Ich klopfte mir selbst auf die Schulter dafür, erkannt zu haben, wie gut er war, bevor er selbst darauf gekommen war. Er war ein guter, vielseitiger Fahrer, er konnte klettern, er konnte gegen die Uhr fahren, er konnte sich im Peloton behaupten, und er ließ sich von dem ganzen

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