Jeden Tag ein Happy End
sie flehentlich an, bettelten wie zwei Oliver Twists um einige Häppchen an Information.
»Jetzt hört schon auf, wie traurige Welpen zu gucken«,sagte sie, ohne den Blick von den Layouts zu wenden. »Ich habe nichts für euch.«
»Hat Tucker gesagt, ob es Entlassungen in unserer Abteilung geben wird?«, fragte Tony. Er machte sich Sorgen um seine Kinder. Ich machte mir Sorgen darum, vielleicht nie welche zu haben.
»Nein«, erwiderte Renée.
»Hat er gesagt, dass niemand entlassen wird?«, fragte ich weiter, erhielt jedoch nur dieselbe einsilbige Antwort von ihr.
Alison war auch endlich zur Arbeit erschienen. Sie zog ihren nassen Parka aus und sagte: »Ich habe gehört, Google kauft die Zeitung.«
»Gawker prophezeit, Murdoch«, warf Tony ein.
Renée sprang ruckartig auf. »Gawker ist eine verdammte Klatschseite«, sagte sie. »Das hier ist eine seriöse Zeitung. Wir halten uns an Fakten.«
»Klar, Renée«, sagte Tony, »Fakt ist aber nun mal, dass du dich mit Tucker gestritten hast. Irgendetwas wird hier doch gespielt.«
Renée sah genervt aus. »Tucker ist mit unserem ›Internetz-Auftritt‹ unzufrieden.« So drückte Tucker sich tatsächlich aus. Wir waren nie ganz sicher, ob das witzig sein sollte oder ob er einfach keine Ahnung hatte. »Er hat vorgeschlagen, dass wir einen Live-Ticker zu den Hochzeiten schreiben.«
»So was braucht doch kein Mensch«, sagte Alison. Ein unverschämter Satz, aber es war auch etwas dran.
»Er will, dass wir für mehr Klicks sorgen«, las Renée aus ihren Notizen vor, »dass mehr Leute auf der Seite hängen bleiben.«
»Ja, so wie Tucker gedanklich in den Neunzigern!«, warf Tony ein und musste lachen. Renée lachte nicht.
»Tucker will, dass wir einen Blog schreiben. Zwei Posts Minimum pro Tag, jeweils etwa fünfhundert bis achthundert Wörter.«
»Ab wann?« fragte Tony. Jetzt lachte er nicht mehr.
»Sobald wir eine Idee haben, was wir verdammt noch mal überhaupt in den Blog schreiben sollen. Bis nächste Woche will er ein Konzept vorliegen haben.«
»Werden wir dafür bezahlt?«, fragte ich. Das war schließlich das Wichtigste. Renée warf mir über den Rand ihrer Brille hinweg einen mitleidigen Blick zu.
Mehr Arbeit. Unbezahlt. Und nach wie vor die Angst vor drohenden Entlassungen. Da hatte sich mein Job einen echten Hattrick geleistet. Im Kopf hörte ich das Flehen meiner ungeborenen Kinder, sie doch bitte nicht in einer Einzimmerwohnung großzuziehen.
Das Schneetreiben vor den Fenstern der Redaktion war stärker geworden. Renée ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen und machte damit deutlich, dass die Fragestunde ihrer Meinung nach beendet war. »Gibt’s da irgendeinen Verhandlungsspielraum?«, fragte ich. Heute Morgen war ich noch fest entschlossen gewesen, eine Gehaltserhöhung zu fordern. Und ich sollte verdammt sein, wenn ich es nicht wenigstens versuchte.
»Kommt darauf an«, erwiderte Renée.
»Worauf?«
»Darauf, ob du glaubst, was Gawker schreibt.«
Der Mann, dem die Frauen vertrauen
W ährend eines Schneesturms wirkt Manhattan immer so majestätisch. Die Wolkenkratzer waren in dem tanzenden weißen Pulver kaum noch zu erkennen, und das Raster der Straßen war mit meterhohen Schneewehen zugedeckt. Inmitten dieser makellos-weißen Hügel sah die Stadt viel sauberer und friedlicher aus.
Als Braut sah man das natürlich anders.
In dem Fall lachte einem jede einzelne Flocke höhnisch ins Gesicht. Amy kam besser mit den meteorologischen Umständen zurecht, als die meisten Bräute es getan hätten. Keine Tränen. Kein Geschrei. Lediglich ein totaler Nervenzusammenbruch.
Als ich in der fünfundsechzigsten Etage des Rockefeller Center aus dem Fahrstuhl trat, wurde ich von ihrem Floristen Fabio abgefangen. Er warnte mich vor, dass mich dort oben mehr als nur eine Naturgewalt erwartete.
»Das Konfetti ist schon da, der Kuchen aber noch nicht«, informierte mich Fabio in gedämpftem Ton und steckte mir unauffällig seine Visitenkarte zu. »Das Kleid befindet sich noch in einem Warenlager in Queens, und ihre Schwester steckt seit vierundzwanzig Stunden am Flughafen in Chicago fest. Kein Wunder, dass die Arme völlig durchdreht.«
Ich stand unter einem immensen Druck, einen glänzendenArtikel abzuliefern, um meinen Job zu behalten. Eine gestresste Braut sorgte immer auch für Nervosität unter den Brautjungfern, und mit nervösen Brautjungfern konnte man keine vernünftigen Interviews führen. Das würde wohl eine lange Nacht werden. Aber ganz
Weitere Kostenlose Bücher