Jeder Hund kann gehorchen lernen
sondern a uch, wenn er mit Frauchen a uf deren Schoß im Bushaltestellenhäuschen wartet. Oder wenn er a uf der Picknickdecke im Park liegt. King Jerry muss schließlich nicht nur seine Untertanen, sondern a uch noch deren Proviant, sprich seine Beute, verteidigen. Ich wiederhole es noch mal: Stellen Sie sich vor, Jerry wäre kein Yorkshireterrier, sondern ein größeres Kaliber, und ein kleines Kind, das einem Ball hinterherrennt, käme der Picknickdecke zu nahe …
Wo wir gerade von Picknick sprechen: Würde ein Hund sein Fressen mit a uf die Hundewiese nehmen, wenn er denn könnte? Ganz sicher nicht! Wer mit seinem Hund in der Öffentlichkeit (im Park, a uf einer Wiese, im Wald etc.) picknickt, bringt ihn in eine Lage, die dem Hundeinstinkt widerstrebt. Kein Hund würde der vierbeinigen Konkurrenz freiwillig seine Beute präsentieren. Wenn Ihr Hund sprechen könnte, würde er sagen: » Lass uns in Ruhe zu Hause fressen – und dann ’ne Runde laufen gehen.« Für Ihren Hund ist die Open-Air-Mahlzeit in der Öffentlichkeit eine mit Stress verbundene Provokation. Ständig muss er a uf der Hut sein, ob sich A rtgenossen oder Zweibeiner dem Territorium (der Picknickdecke) nähern, weil sie scharf a uf seine Beute (sprich: das Picknick) sind. Das heißt natürlich nicht, dass es dabei immer zum Eklat kommen muss – a ber die Gefahr besteht. Je dominanter und somit a ngriffslustiger und verteidigungsfreudiger der Hund, desto wahrscheinlicher.
Das » Den Hund Hund sein lassen « -Märchen
» Bei mir soll der Hund Hund sein dürfen. « Das hört sich toll a n, a ber wie soll’s funktionieren? Haben Sie schon einmal davon gehört, dass in einem wilden Hunderudel das Ordnungsamt die A nleinpflicht kontrolliert? Oder dass dort der Briefträger vorbeikommt? Ich weiß nicht, ob dieses Märchen vom Hund, den man Hund sein lassen muss, ein » artgerecht « (v)erziehender Blümchentrainer oder ein Halter a ufgrund gut gemeinter, a ber falsch verstandener Hundeliebe erfunden hat. A uf jeden Fall steckt hinter diesem Satz der Wunsch, dass der Hund in seinem A lltag nicht zu stark eingeschränkt werden soll. In meinem Traineralltag begegnet mir dieses Denken immer wieder. Besonders oft höre ich diesen Satz, sobald ich die Wohnung eines Kunden das erste Mal betrete: » Herr Lenzen, nur damit Sie Bescheid wissen – bei uns soll der Hund Hund sein dürfen. « Ich kontere dann mit Gegenfragen, um meinem Gegenüber freundlich, a ber bestimmt klarzumachen, dass sein Liebling im A lltag bereits unzähligen Einschränkungen unterworfen ist, die ihn eben nicht Hund sein lassen. Zum Beispiel: » Warum sperren Sie Ihren Hund in der Wohnung ein, a nstatt ihn frei draußen herumlaufen zu lassen? « Oder: » Warum lassen Sie ihn nicht im Garten Katzen oder im Park Kaninchen jagen? « Den Hund Hund sein lassen, würde in der Tat bedeuten, ihm einen Freifahrtschein a uszustellen, mit dem er seinen Instinkten folgen kann. Er dürfte seinem Halter das Essen vom Tisch klauen – denn er hat nun mal Hunger. Er dürfte sein kleines Geschäft a uf der Fußmatte des Nachbarn verrichten – denn er muss nun mal gerade jetzt und in diesem Moment sein Revier markieren. Er dürfte Besucher a nbellen und a ngreifen, die das Haus betreten – denn es ist nun mal sein Territorium.
Irrtum Nr. 6:
» Bei mir soll der Hund Hund sein. «
Falsch! In freier Natur gibt’s kein Ordnungsamt, keine Briefträger und keine A nleinpflicht. Es ist unmöglich, einen Haushund »Hund sein« zu lassen«, sprich: ihn a llein seinen (Jagd-)Instinkten zu überlassen. Denn so ein Verhalten ist mit unserem modernen A lltag nicht kompatibel.
Außerdem ist jeder Hund ohnehin unzähligen Einschränkungen bzw. in der Hundewelt nicht existenten Mensch-hilft-Hund-Maßnahmen unterworfen, die dem Halter oft gar nicht a ls solche bewusst sind – von der Leine über die Fellbürste und das Trimmmesser bis hin zum Zeckenschutz.
Auch in hygienischer Hinsicht brächte die Prämisse » Bei mir soll der Hund Hund sein « – konsequent umgesetzt – einige Probleme mit sich. Die meisten Hundehalter verabreichen ihren Vierbeinern A nti-Floh-Mittel und drehen Zecken mit Spezialwerkzeugen heraus. Manche trimmen den Hunden a uch das Fell oder putzen ihnen die Zähne. Und wenn ein Hund sich in den Exkrementen eines Schafes oder a uf dem Kadaver eines Karnickels gewälzt hat, um sich ganz im Sinne seines Jagd-Urtriebs ein natürliches Tarnparfüm a ufzulegen, findet das kein Mensch
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