Jeder Kuss ein Treffer
einer gestärkten blassrosa Oxfordbluse erblickte. »Und du bist geschminkt.«
»Ich bin immer geschminkt«, gab Annie zurück. Sie versuchte, keck zu klingen, obwohl sie nur sehr wenig geschlafen hatte. In den frühen Morgenstunden war sie aus dem Bett geklettert und mit pochendem Zeh ins Bad gehumpelt, wo sie ein Schmerzmittel für die Nacht fand, das ihr ein paar Stunden Schlaf schenkte, bevor der Wecker sie um fünf Uhr plärrend hochfahren ließ. Noch immer kämpfte sie gegen die Müdigkeit und den schmerzenden Zeh, wollte es sich aber nicht anmerken lassen. Sie schaute in den Ofen, in den sie bereits ein Ei, Würstchen und eine Käsekasserolle geschoben hatte.
»Deine Augen schminkst du sonst nicht so, nur zu besonderen Anlässen«, sagte Theenie. »Zum Beispiel wenn du mit Danny zu einer Vorstellung nach Charleston fährst.«
Annie überlegte, ob sie den Schwamm von der Spüle nehmen und ihn Theenie in den Mund stopfen sollte. »Das ist nichts Besonderes, ja?«
Die Kasserolle begann bereits am Rand zu blubbern. Annie schob einen Teller mit selbstgemachten Brötchen in den Ofen, dann kehrte sie zu ihrem Stuhl am Küchentisch zurück, wo sie begonnen hatte, eine Aufgabenliste für den Tag zusammenzustellen.
Kurz darauf gesellte sich Theenie zu ihr, die Kaffeetasse in der Hand. »Gestern Nacht dachte ich, ich würde nie mehr einschlafen«, sagte sie, gähnte und hielt sich geziert die Hand vor den Mund. »Peaches hat mich wach gehalten. Sie ist immer den Flur hoch und runter gelaufen und hat diese komischen Geräusche von sich gegeben, die sie immer macht, wenn sie unglücklich ist.«
»Au weia, ich kann mich nicht erinnern, dass Peaches jemals glücklich war«, sagte Annie. Wie auf ein Stichwort hin sprang die Katze von ihrem Stuhl, stolzierte hinüber zu ihrem leeren Napf und starrte ihn an. Mehrmals stupste sie ihn mit der Nase an und hielt dann inne, als warte sie darauf, dass Annie aufstand und noch mehr Futter hineintat. Als Annie sich nicht rührte, hob Peaches die Pfote und versetzte dem Napf einen Hieb. Er rutschte über den Küchenboden.
»Hast du vergessen, Peaches zu füttern?«, fragte Theenie.
Annie schaute belustigt drein. »Sieht sie aus, als hätte sie schon mal eine Mahlzeit ausgelassen?«
»Wie ich schon sagte«, fuhr Theenie fort, »nachdem ich Peaches fast zwei Stunden jaulen gehört hatte, wie sie das manchmal tut, bin ich schließlich aufgestanden und habe sie in dein Zimmer gebracht. Das war nicht einfach, das kann ich dir sagen, sie wiegt ja so viel, aber ich dachte, du könntest sie beruhigen. Aber du warst gar nicht in deinem Bett. Da habe ich mir Sorgen gemacht.«
Annie tat, als sei sie ins Erstellen ihrer Liste vertieft. »Da war ich wahrscheinlich gerade draußen, um frische Luft zu schnappen«, sagte sie beiläufig.
»Ja, ich habe dich gesehen«, bemerkte Theenie.
Annies Stift blieb in der Luft stehen. Sie hielt den Atem an und wartete.
»Mit Wes.«
Peaches stolzierte hinüber zur Schranktür.
Klong, klong, klong.
»Ihr habt euch geküsst«, sagte Theenie.
Annie sah sie an. »Hast du uns nachspioniert?« Angriff war bekannterweise die beste Verteidigung.
Theenie schnaubte, als hätte man sie gerade beleidigt. »Natürlich nicht! Ich habe nur die Gardine zur Seite gezogen, um zu sehen, ob du auf dem Vorplatz warst, und dann sah ich euch beide. Wie die Kletten habt ihr aneinandergeklebt. Ich muss dir sagen, ich war schockiert.« Wieder schniefte sie.
Klong, klong, klong.
»Guten Morgen«, sagte Lovelle vom Treppenabsatz.
Annie fuhr zusammen. Sie hatte sie nicht herunterkommen hören. »Oh, du hast mich erschreckt.«
»In diesem Haus sind alle so nervös wie eine Katze mit langem Schwanz in einem Zimmer voller Schaukelstühle«, sagte Lovelle. »Theenie, du machst ja gar kein fröhliches Gesicht. Was ist passiert?«
»Ach, nichts«, sagte Theenie mit einer Stimme, die das Gegenteil verriet.
»Das ist gut«, sagte Lovelle und ging zur Kaffeekanne.
»Ich habe nur letzte Nacht kein Auge zugetan«, bemerkte Theenie.
Lovelle warf ihr einen Blick zu. »Das ist aber schade.«
»Ich bin einfach zu alt, um im Bett zu liegen und mir Sorgen zu machen.«
Lovelle brachte ihre Tasse an den Tisch und setzte sich. »Warum hast du dir Sorgen gemacht?«
»Nur so.« Lovelle wandte sich an Annie. »Du sitzt ja schon an deiner Liste.«
»Ist ja nicht so, als müsste ich nicht genug im Kopf behalten, und da redet Destiny noch von einem Gespenst, und Docs Gärtner findet
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