Jeder Kuss ein Treffer
alles über das Haus erzählen, denn das macht es für die Leute erst richtig interessant.«
Annie fragte sich, wie viel Destiny tatsächlich wusste.
»Du meinst, dass es früher mal ein Bordell war?«, fragte Wes.
»Woher weißt du das denn?«, fragte Annie. »Auch wenn es kein Geheimnis ist. Die meisten Leute kennen die Vergangenheit dieses Hauses.«
Wes antwortete nicht direkt, sondern grinste. »Das Haus spricht eigentlich für sich, Annie.«
Sie nickte. »Angeblich hat es noch viel Ähnlichkeit mit seinem Aussehen in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Meine Großmutter hatte ein altes Fotoalbum mit Bildern, die kurz nach dem Bau gemacht wurden, aber das habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Ist wahrscheinlich irgendwo auf dem Dachboden.« Annie verdrehte die Augen.
»Dieser Geist ist eine der Frauen, die hier in dem Bordell wohnten«, sagte Destiny. »Leider bekomme ich keine weiteren Informationen von ihr. Sie ist nämlich stumm.«
Wes hob fragend die Augenbraue, und Destiny fuhr fort: »In den meisten Fällen hatten die Geister, die noch lange nach ihrem Ableben spuken, einen tragischen Tod. Sie stehen noch immer unter Schock; manchmal wissen sie nicht einmal, dass sie tot sind. Im Fall dieses besonderen Geistes wurde die Frau erwürgt. Sie hat Würgemale am Hals.«
Davon hatte Annie noch nie gehört. Sie erschauderte. »Du hast recht, Destiny«, sagte sie. »Wenn du dich über die Geschichte dieses Hauses erkundigst, erfährst du, dass sie Lacey hieß und tatsächlich eine Prostituierte war. Umgebracht hat sie ihr Liebhaber, der daraufhin gehängt wurde.«
Destiny dachte darüber nach. »Es könnte sein, dass sie bei der Hinrichtung dabei war«, sagte sie. »Das zusammen mit dem Mord an ihr selbst könnte sie so schlimm traumatisiert haben, dass sie nicht mehr sprechen kann. Oder«, fügte sie hinzu, »ihre Stimmbänder wurden durch das Strangulieren zu stark beschädigt.«
Wes schüttelte den Kopf. »Das hört sich sehr weit hergeholt an. Warum können Sie den Geist so deutlich sehen und wir anderen nicht?«
»Weil ich als Hellseherin offener für solche Dinge bin«, erklärte Destiny. »Sie will Kontakt mit mir aufnehmen, aber kann nicht, deshalb ist sie frustriert und sauer und wirft manchmal mit Gegenständen um sich. Meistens mit meinen Sachen«, fügte sie hinzu. »Und das nervt wiederum mich, zusammen mit dem fehlenden Schlaf; normalerweise habe ich mehr Geduld mit Geistern. Seit kurzem habe ich Visionen, wie es damals hier ausgesehen haben muss. Ich sehe Frauen in Korsetts und schwarzen Strapsen, die stark mit Rouge geschminkt sind; ich sehe gut gekleidete Herren, die ihnen nach oben folgen.« Destiny nieste. »Nur die Reichen konnten sich einen Besuch hier leisten. Sagt dir der Name Fairchild irgendwas?«, fragte sie Annie.
»Oh, ja. Die Familie Fairchild ließ sich noch vor dem Revolutionskrieg hier nieder. Es waren wohlhabende Leute, sehr angesehen. Einige gingen in die Politik. Ein paar Nachkommen leben hier noch, aber die meisten sind nach Charleston gezogen.«
»Aus irgendeinem Grund sehe ich immer wieder diesen Namen.« Destiny zuckte mit den Schultern. »Übrigens hat das Haus wirklich große Ähnlichkeit mit damals.« Wieder nieste sie. Annie holte eine Schachtel mit Taschentüchern. »Bis auf die Küche und einige Möbelstücke«, fügte Destiny hinzu und zupfte zwei Taschentücher heraus.
Wes war gefesselt von dem, was Destiny erzählte, aber es war schwer zu sagen, wie viel davon er glaubte. »Wie oft haben Sie diese … ahm … Visionen?«
»Das kann ich nicht vorhersagen«, erwiderte Destiny. »Manchmal sind sie sehr deutlich, dann wieder vage und verschwommen, und ich brauche Stunden, um ihre Bedeutung zu verstehen.« Eine Weile trank Destiny schweigend ihren Kaffee. » Dieser Geist hier könnte gut für dich sein«, sagte sie zu Annie.
»Wie das?«
»Geister sind nicht auf Raum und Zeit beschränkt. Ich würde wetten, dass Lacey weiß, wer deinen Mann umgebracht hat. Wahrscheinlich hat sie alles mit angesehen.«
Annie fiel die Kinnlade herunter.
»Deshalb hätte ich ja so gerne, dass sie mit mir spricht«, fuhr Destiny fort.
»Wahrscheinlich hätte ich sie nicht anschreien sollen, als sie meine Sachen durch die Gegend warf. Ich muss mich wahrscheinlich richtig bei ihr einschmeicheln, wenn ich sie zur Zusammenarbeit überreden will. Nur schmeichle ich mich nicht gerne bei Toten ein.«
Annie lachte. »Kannst du dir vorstellen, dass ich in Lamar Tevis‘
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