Jeder Kuss ein Treffer
brauchte.
»Ich gehe davon aus, dass ihr eure Unterlagen zusammen abgelegt habt, oder?«, fragte er.
»Ja.« Annie erklärte ihm, nach welchen Jahren er suchen musste.
Sie war froh, die Dachkammer wieder verlassen zu können. Unten in der Küche legte Wes die Akten auf den Tisch und begann, die erste durchzublättern.
»Was suchst du?«, fragte Annie.
»Die Sozialversicherungsnummer von Charles, seine Kreditkartenabrechnungen, Handyrechnungen und was sonst noch hilfreich sein könnte.«
»Seine gesamten Geschäftskosten gingen auf American Express.«
Wes fand einen Umschlag mit der Aufschrift:
Rechnungen geschäftlich.
Er öffnete ihn, ging die Zettel durch und zog einen hervor. »Wo ist das Hilltop Steakhouse?«, fragte er.
»In Mosely ungefähr 25 Meilen weiter in Richtung Charleston.«
»Seid ihr oft dorthin gefahren?«
»Ich war noch nie da.«
»Er ist aber mit jemandem dort gewesen, denn hier sind acht oder zehn Quittungen mit ziemlich hohen Summen.«
»An den Abenden habe ich wahrscheinlich zu Hause gesessen und Thunfischsandwiches gegessen.«
Wes schaute Annie an. »War Charles oft unterwegs?«
Sie nickte. »Sein Chef, Norm Schaefer, hatte mehrere Grundstücksmaklerfirmen in diesem und in anderen Bundesstaaten. Sie sind abwechselnd zu den monatlichen Verkaufsmeetings gefahren, und Charles besuchte gerne Seminare, in denen es um Verkauf oder Grundstücke ging. Und er spielte mit Kunden auf Golfturnieren und fuhr mit ihnen angeln. Meistens natürlich außerhalb«, fügte sie mit dünner Stimme hinzu.
Wes schaute auf die Uhr und schlug den Ordner zu. »Hier gibt es eine Menge durchzusehen«, sagte er. »Es ist schon spät. Warum machen wir nicht Schluss, und ich nehme mir die Akten als Erstes morgen früh vor? Bis dahin verwahre ich sie in meinem Zimmer, so dass keiner darin herumstöbert.«
Annie wusste, dass Wes wahrscheinlich die halbe Nacht über den Akten brüten würde, sie aber nicht damit belasten wollte. »Du musst wissen, dass ich über Charles‘ Unbedachtheiten hinweg bin. Du brauchst mir nichts zu verheimlichen.«
»Gut.« Wes lächelte. »Ich sag dir was, Red. Ich brauchte das jüngste Bild von ihm, das du auftreiben kannst.«
»›Red‹?«
»Passt doch zu dir.«
Annie eilte in das gute Wohnzimmer und öffnete einen Schrank, aus dem sie ein Fotoalbum hervorzog. Sie blätterte es durch, die Hochzeitsfotos wohlweislich übergehend, und fand mehrere Bilder von Charles, die nur wenige Monate vor seinem Verschwinden aufgenommen worden waren. Mit einem dumpfen Gefühl im Bauch betrachtete Annie sie. Schließlich nahm sie sie mit in die Küche und reichte sie Wes.
Er warf einen flüchtigen Blick darauf. »Sieht gar nicht schlecht aus.«
Annie zuckte mit den Achseln. »Ich war wohl nicht die einzige Frau in der Stadt, die das fand.« Aber sie wollte nicht über Charles nachdenken. Ihr großer Zeh tat weh; sie musste sich dringend hinlegen. »Ich gehe wohl besser ins Bett.«
»Ich komme mit nach oben.«
Wes trug die Akten die Treppe hinauf. Er war an seinem Zimmer, bevor Annie ihres erreichte. »Vielleicht sollte sich mal ein Arzt deinen Zeh ansehen, wenn der morgen früh noch nicht besser ist«, sagte er, als Annie die Tür zu ihrem Schlafzimmer öffnete. Stirnrunzelnd fragte sie sich, woher er wusste, dass der Zeh ihr Probleme bereitete, da sie das doch so sorgfältig zu verbergen suchte.
Aber sie hatte das Gefühl, dass Wes Bridges mehr über sie wusste oder ahnte, als er sich anmerken ließ, und das bereitete ihr Unbehagen.
Es war noch keine sechs Uhr, als Annie bereits den Frühstücksspeck gebraten und in einer großen Schüssel Blaubeeren unter den Waffelteig gezogen hatte. Die Waffeln wollte sie ihren Gästen zum Frühstück servieren. Der frühe Morgen war Annie die liebste Tageszeit. Das Haus war so still, dass sie die Blätter an den Virginia-Eichen draußen vor dem Fenster im Wind rascheln hören konnte. Sie hatte für einen Gast mehr gedeckt, falls Danny schon früh kommen würde, dann eine Kanne mit Kaffee gefüllt und frischen aufgesetzt.
Sie goss sich eine zweite Tasse ein, nahm sie mit ihrem Notizblock an den Tisch und begann mit der Liste von Dingen, die sie heute zu erledigen hatte. Max und Jamies Probeessen stand in wenigen Tagen bevor; auch die Hochzeit rückte immer näher. Bis dahin wäre noch so viel zu erledigen, dachte Annie, auch wenn es ihr mit Hilfe von Theenie und Lovelle gelungen war, mehrere große Putzaktionen durchzuführen, nachdem die
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