Jeder Kuss ein Treffer
würde nicht Max‘ und Jamies Hochzeit ausrichten können. Sie hatte die beiden im Stich gelassen. Darüber hatte Annie mehr Tränen vergossen als über ihre Verhaftung.
Als es an der Tür klopfte, sprang sie auf. Die Polizeibeamtin, die so freundlich zu ihr gewesen war, öffnete die Tür. »Hier ist Ihr Anwalt, Mrs. Fortenberry.« Annie blinzelte. »Mein Anwalt?«
Ein Mann in Tenniskleidung kam herein. »Mrs. Fortenberry, endlich lernen wir uns kennen. Ich muss sagen, Sie sind so ungefähr das Süßeste, was ich je gesehen habe. Ich bin Cal Nunamaker, Ihr Anwalt. Nennen Sie mich Cal. Darf ich Sie Annie nennen?«
Wie betäubt nickte sie. »Sind Sie vom Gericht bestellt?«
»Oh, nein! Ein Freund von Ihnen, Max Holt, hat mich engagiert. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie rubbeldiekatz hier raushole. Haben Sie irgendwelche Fragen?«
»Soll das heißen, ich muss nicht ins Gefängnis?«
»Auf gar keinen Fall. Nein, nein, zum Abendessen sind Sie wieder zu Hause.« Annie konnte ihr Erstaunen nicht verhehlen. »Aber ich bin des Mordes angeklagt.«
Er lächelte freundlich. »Wir wissen doch beide, dass Sie Ihren Mann nicht getötet haben.«
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden getötet.«
»Deshalb möchte ich, dass Sie nicht mehr so düster dreinschauen, sondern mal richtig befreit lächeln.« Annie schaute ihn fassungslos an. »Sie lächeln nicht«, bemerkte er. Sie zwang sich dazu.
»Schon besser! So, jetzt bleiben Sie mal ein paar Minuten ruhig sitzen, dann warte ich draußen und bringe Sie nach nebenan zum Gericht.«
Annie nickte. Die Beamtin ließ Nunamaker hinaus. Sie drehte sich um und hielt Annie den ausgestreckten Daumen hin. Dann schloss sie wieder zu.
»Ich habe mich noch nie in meinem Leben so geschämt«, flüsterte Annie Jamie zu, als sie nach etwas mehr als einer Stunde zusammen aus dem Gericht kamen. Annie musste mehrmals hinschauen, als sie die Menschenmasse sah. Während ihres kurzen Haftprüfungstermins hatte sie sich verdoppelt. Annie war tatsächlich des Mordes angeklagt worden und hatte einen Verhandlungstermin bekommen. Vor dem Gericht warteten mehrere Übertragungswagen. Männer und Frauen mit Mikrofonen standen auf der Treppe. Sie stürzten auf Annie zu, sobald sie sie erblickten. »Oh, nein«, stöhnte sie.
»Vertrauen Sie mir«, flüsterte Nunamaker. »Wir brauchen die Publicity. Ich kümmere mich darum.« Er trat vor. Mikrofone wurden ihm entgegengehalten. »Meine Damen und Herren, Sie kennen mich ja bestimmt alle, aber noch mal in aller Form: Ich bin Cal Nunamaker, und ich vertrete Mrs. Annie Fortenberry. Ich werde mich nur kurz zu diesem Fall äußern, und wenn Sie lieb und artig sind, beantworte ich noch ein paar Fragen.« Er lächelte wie ein Fernsehstar.
»Mrs. Fortenberry ist vollkommen und ohne jeden Zweifel unschuldig an der absurden Mordanklage, die gegen sie erhoben wird. Die Polizei ist entweder zu dumm oder zu faul, um eine richtige Ermittlung durchzuführen.« Nunamaker hielt inne, um Atem zu holen. »Sobald wir diese lächerliche Angelegenheit hinter uns haben, werde ich Maßnahmen ergreifen, damit hier Entschädigungen gezahlt werden.«
»Soll das heißen, Sie wollen Klage einreichen?«, fragte ein Reporter.
»Ich habe etwas viel Größeres vor«, sagte er. »Meine Mandantin ist eine ehrbare, gesetzestreue Bürgerin, und ich wehre mich mit aller Macht dagegen, dass ihr guter Name von einer schikanösen Anklage befleckt wird, die von keinerlei stichhaltigen Beweisen untermauert wird.« Annie reckte den Kopf, als sie eine schick gekleidete Frau entdeckte, die sie von einem Fernsehsender aus Charleston kannte. Die Frau trat auf Nunamaker zu.
»Entschuldigen Sie, Mr. Nunamaker, aber sind Sie nicht vielleicht ein wenig allzu forsch, wenn Sie das Klischee verzeihen? Schließlich hat der Polizeichef das Wohnhaus von Mrs. Fortenberry durchsucht und belastendes Material gefunden.«
»Das kann ohne weiteres mit Absicht hinterlegt worden sein«, sagte Nunamaker. »Nach dem gestrigen Debakel mit den verlorenen Überresten von Mr. Fortenberry will Chief Tevis unbedingt einen Verdächtigen präsentieren.«
»Wurde darüber berichtet?«, fragte die Frau.
»Nicht dass ich wüsste.«
»Soweit ich weiß, hat die Angeschuldigte gelogen, was ihren Verbleib am Tag des Verschwindens ihres Mannes angeht«, fuhr die Reporterin redegewandt fort. »Auch hört man von einer unglücklichen Ehe und außerehelichen Affären. Dazu die Tatsache, dass die Leiche des Mannes hinter
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