Jeder Kuss ein Treffer
nicht meinem Mieter Wes Bridges gehört. Es könnte doch sein, dass er es dort aufbewahrt, oder? Immerhin hat er zwei Wochen Miete im Voraus bezahlt. Bar.« Annie wusste, dass es albern klang; niemand trug so viel Geld mit sich herum, aber Lamars Vermutungen ergaben genauso wenig Sinn.
Lamar hielt die zweite Plastiktüte hoch. »Charles‘ Reisepass«, erklärte er. »Der war zusammen mit dem Geld versteckt. Und seine Tasche.« Er verstummte und hielt sie hoch. »Darin ist ein Ticket für einen Hinflug nach Jamaika.« Annie wurde schwindelig. »Ich wusste nicht, dass Charles einen Reisepass hatte. Wenn wir mal übers Verreisen sprachen, sagte er immer, es gäbe noch genug, was er in diesem Land sehen wollte, bevor er ins Ausland fahren würde.«
Lamar nahm neben Annie Platz. »Wissen Sie, was ich glaube, Annie? Ich glaube, dass Charles gerade seine Sachen packte, als er auf seinen Mörder traf.«
Der Raum drehte sich um Annie. Sie legte beide Hände flach auf den Tisch und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Und wieso ist das nur ein Flugticket? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er allein nach Jamaika fliegen wollte.«
Lamar zuckte mit den Schultern, als halte er das nicht für wichtig. »Annie, ich werde Sie mitnehmen müssen.«
Sie schaute ihn mit großen Augen an.
Der jüngere Beamte trat vor. »Mrs. Fortenberry, ich muss Sie bitten, sich zu erheben.«
»Was?«, Annie sah auf. Sie blinzelte mehrmals, dann drückte sie sich vom Stuhl hoch. Destiny und Theenie standen ebenfalls auf. Lovelle blieb sitzen und schaute mit ungläubigen Augen von einem zum anderen.
Der Beamte zog ein Paar Handschellen aus seiner Hintertasche.
»Jetzt ist aber Schluss!«, rief Destiny. »Sobald Sie versuchen, ihr diese Handschellen anzulegen, kratze ich Ihnen die Augen aus und verhexe Sie. Ihre Frau wird Sie verlassen, und Termiten werden sich in Ihrem Haus einnisten!«
Der Mann zog den Kopf ein und schaute Lamar an. »Sie wissen, dass ich mir keinen Kammerjäger für Termiten leisten kann, Chef.«
»Stecken Sie die dummen Handschellen ein«, sagte Lamar. Er schaute Annie an. »Ich weiß nicht, wie ich es sonst sagen soll, Annie, aber Sie sind verhaftet wegen Mordes an Charles Fortenberry.« Zu seinem Kollegen sagte er:
»Verlesen Sie ihr die Rechte!«
Es war später Nachmittag, als Wes Bridges in Lamars Büro stürmte. Gegenüber dem Polizeichef saßen Jamie Swift und Max Holt. »Ich habe es gerade erst gehört. Was ist hier los, verdammt noch mal?«, wollte er von Lamar wissen.
Lamar lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Entschuldigung, aber wir führen gerade ein vertrauliches Gespräch.«
»Er kann bleiben«, sagte Max.
Wes stieß die Tür mit dem Fuß zu und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was soll dieser Blödsinn, Annie zu verhaften?«, rief er. Lamar öffnete den Mund, um zu antworten, aber Max unter brach ihn. »Sie wird am späten Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt. Ich sorge dafür, dass sie die Nacht nicht im Gefängnis verbringen muss.« Lamar schüttelte den Kopf. »Nie im Leben ist der Richter damit einverstanden, eine Mordverdächtige auf Kaution freizulassen.«
»Vielleicht habe ich Glück und finde einen guten Anwalt«, erwiderte Max.
»Nicht in dieser Stadt, nie im Leben. Der beste Anwalt im gesamten Südosten ist Cal Nunamaker aus Hilton Head, aber der nimmt nur aufsehenerregende Fälle an und ist verdammt teuer. Außerdem hat er sich schon so gut wie zur Ruhe gesetzt. Die meiste Zeit verbringt er auf seiner eigenen Insel vor der Küste Floridas.«
Max antwortete nicht.
Wes zeigte in Lamars Gesicht. »Ich habe diesen Blödsinn satt, Tevis! Sie wissen verdammt genau, dass Annie ihren Mann nicht umgebracht hat.« Mehrmals blinzelte Lamar, als wolle er seine Haltung zurückgewinnen.
»Zufällig habe ich aber Beweise, die sie in ein schlechtes Licht stellen.«
»Was für Beweise?«, spottete Wes.
»Es ist kein Geheimnis«, sagte Lamar, »dass Annies Mann, ich meine, ihr verstorbener Mann, einen Tag vor seinem Verschwinden das gesamte Geld von ihrem gemeinsamen Sparkonto abhob. Wir haben das Geld heute Morgen bei einer Hausdurchsuchung gefunden. Im Wandschrank versteckt waren fast dreißigtausend Dollar. Annie meinte, es würde vielleicht Ihnen gehören.«
Wes schüttelte den Kopf. »So viel Geld habe ich nie bei mir, aber in Bezug auf Annie beweist das gar nichts. Sie konnte doch wohl kaum wissen, dass das Geld dort war. Sie ging
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