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Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc

Titel: Jeffery Deaver - Der Insektensammler1.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: mulder43
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Therapieversuche. Auch nicht an das, was Garrett ihr über seinen Vater und diesen schrecklichen Abend vor fünf Jahren erzählt hatte. Nein, sie dachte an einen anderen Stuhl - an Lincoln Rhymes Rollstuhl, den roten Storm Arrow. Deswegen waren sie schließlich überhaupt hier in North Carolina. Weil Rhyme alles aufs Spiel setzen wollte - sein Leben, seine Gesundheit, so weit man davon sprechen konnte, und ihr gemeinsames Leben -, damit er vielleicht eines Tages aus dem Rollstuhl steigen konnte. Ihn einfach stehen lassen konnte, leer. Und jetzt, in diesem heruntergekommenen Wohnwagen, als sie von allen Seiten verfolgt und wahrhaft allein war, Farbe bekennen und harte Bandagen anlegen musste, gestand Amelia Sachs sich ein, was sie so daran bedrückte, dass Rhyme sich dieser Operation unbedingt unterziehen wollte. Natürlich sorgte sie sich darum, dass er den Ärzten unter dem Messer wegsterben könnte. Dass sich sein Zustand durch die Operation verschlechtern könnte. Oder dass sich gar nichts änderte und er noch tiefer in seinen Depressionen versank. Doch das bereitete ihr noch die geringste Angst. Deswegen unternahm sie nicht alles, was in ihrer Macht stand, um ihn von der Operation abzuhalten. Nein, nein - am allermeisten schreckte sie der Gedanke, dass die Operation erfolgreich verlaufen könnte. Ach, Rhyme, verstehst du das denn nicht? Ich will nicht, dass du dich veränderst. Ich liebe dich so, wie du bist. Was soll denn aus uns werden, wenn du genauso bist wie jeder andere?
    »Immer nur du und ich, Sachs«, sagst du. Aber dieses Du und Ich beruht doch darauf, wie wir jetzt sind. Ich mit meinen blutigen Nägeln und dem Drang, mich zu bewegen, ständig zu bewegen, in Schwung zu bleiben... Und du mit deinem kaputten Körper und dem erstklassigen Verstand, der dich schneller und weiter trägt, als ich mit meinem hochgetunten und tiefgelegten Camaro jemals kommen kann. Dieser Verstand ist es doch, der mich mehr fesselt als jeder noch so leidenschaftliche Liebhaber. Und wenn du wieder normal wärst? Wenn du deine Arme und Beine wieder gebrauchen könntest, was würde dann aus mir werden? Wozu brauchtest du mich noch? Mich, eine Streifenpolizistin, die zufällig kriminalistisch begabt ist? Du wirst eine andere Frau kennen lernen, die dich wieder über den Tisch ziehen wird, so wie früher - eine weitere Ehefrau, die nur an sich denkt, eine weitere verheiratete Geliebte -, und du wirst dich von mir zurückziehen, so wie Lucy Kerrs Mann sie nach ihrer Operation verlassen hat. Ich mag dich so, wie du bist... Sie erschauerte regelrecht, als ihr klar wurde, wie selbstsüchtig dieser Gedanke war. Dennoch konnte sie ihn nicht ableugnen. Bleib auf deinem Stuhl sitzen, Rhyme! Ich möchte nicht, dass er leer vor mir steht... Ich möchte mit dir leben, so wie immer. Ich möchte Kinder mit dir haben, Kinder, die dich genau so kennen lernen, wie du bist. Amelia Sachs stellte fest, dass sie fortwährend an die dunkle Decke starrte. Sie schloss die Augen. Doch es dauerte noch eine Stunde, bis sie der Wind und der eintönige Singsang der Zikaden endlich in den Schlaf wiegten.

... Dreiunddreißig
    Sachs wurde kurz nach Anbrach der Morgendämmerung durch einen Summton geweckt, der in ihrem Traum von Heuschrecken verursacht wurde - aber wie sich herausstellte, war es der Wecker ihrer Casio-Armbanduhr. Ihr ganzer Körper tat weh, weil sie trotz ihrer Arthritis auf einer dünnen Matte auf dem vernieteten Blechboden geschlafen hatte. Aber sie war seltsam heiter und gelöst. Die Strahlen der noch tief stehenden Sonne fielen durch die Fenster des Wohnwagens, und sie betrachtete das als ein gutes Vorzeichen. Heute würden sie zu Mary Beth McConnells Versteck gelangen und mit ihr nach Tanner's Corner zurückkehren. Sie würde Garretts Geschichte bestätigen, und Jim Bell und Lucy Kerr könnten die Suche nach dem wahren Mörder aufnehmen - dem Mann mit der braunen Latzhose. Sie sah, wie Garrett im Schlafzimmer die Augen aufschlug und sich auf der durchgelegenen Matratze aufrichtete. Mit seinen langen Fingern strich er sich die zerzausten Haare zurecht. Er sieht aus wie jeder andere Teenager früh am Morgen, dachte sie. Schlaksig, linkisch und verschlafen. Dabei, sich anzuziehen, mit dem Bus zur Schule zu fahren und sich mit seinen Freunden zu treffen, im Unterricht neue Sachen zu lernen, mit Mädchen zu flirten, Fußball zu spielen. Während sie ihn beobachtete, als er benommen nach seinem Hemd suchte, fiel ihr auf, wie dürr er war, und sie

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