Jeier, Thomas
reiben ihre Körper mit Schlamm ein. Sie sind sehr komisch.«
Auf dem Kriegspfad
Die Vorstellung der Europäer, die Indianer würden als geschlossene Formation unter einem Häuptling in den Krieg ziehen, traf in den wenigsten Fällen zu. Jeder erfahrene Krieger konnte einen Kriegstrupp in den Kampf führen. Dies geschah entweder aus persönlichen Motiven, weil er Rache üben oder seinen Ruhm mehren wollte, oder weil es einfach mal wieder an der Zeit war, sich mit den Feinden zu messen oder sie durch den Diebstahl ihrer besten Pferde zu demütigen. Bei den Cheyenne und den meisten anderen Stämmen der Plains besuchte der Anführer, der auch durch einen Traum oder den Wunsch der Witwen nach Vergeltung motiviert sein konnte, die Krieger, die er dabei haben wollte, und bot ihnen etwas zu essen an. Nach dem Essen ließ er die heilige Pfeife kreisen. Wer sie entgegennahm und daraus rauchte, folgte der Einladung des Kriegers. Wer die Pfeife nicht berührte, blieb zu Hause. Es war kein Zeichen von Feigheit, einem Kriegszug fernzubleiben, ein Krieger musste sich auch mental stark genug fühlen, wenn er auf den Kriegspfad ritt.
Hatte der »Pfeifenträger«, wie der Anführer eines Kriegertrupps genannt wurde, genug Männer beisammen, begannen die Vorbereitungen, die jeder der teilnehmenden Krieger individuell traf. Meist ging er zu einem spirituellen Führer, um sein Schild oder eine Waffe besprechen zu lassen und sich den geistigen Beistand für den bevorstehenden Kriegszug zu erbitten. In einer Schwitzhütte, die mit dem Duft von frischem Salbei gefüllt war, reinigte er seine Seele und seinen Körper. Am Abend, bevor sie aufbrachen, liefen einige Krieger durchs Dorf und sangen »Wolfslieder«, die ihnen Mut machen sollten. Verwandte und Freunde wünschten ihnen Glück. Beim Kriegstanz ließen die Männer ihren Emotionen freien Lauf, man erinnerte an vergangene Heldentaten, schrie und sang und baute etwas von der Spannung ab, die jeden Krieger vor einem Kriegszug erfüllte. Manche Männer tanzten in ihrer Festtagskleidung, andere bemalten nur ihren Körper. Die Apachen, die bei einem Raubzug möglichst unsichtbar blieben, tanzten nur vor einem Rachefeldzug und ließen dabei auch Frauen und Mädchen zu. Sie sollten die Männer ermutigen.
Am nächsten Morgen brachen die Krieger getrennt auf, ein weiteres Zeichen dafür, dass es sich um keinen streng organisierten Kriegszug handelte. Man traf sich an einer zuvor vereinbarten Stelle und ritt im Gänsemarsch weiter. Jeder Krieger ritt ein normales Pferd und zog sein wendiges und schnelles »Kriegspony« an den Zügeln hinter sich her. Außer seinen Waffen und dem Schild hatte er etwas Pemmikan als Proviant, Extra-Mokassins und eine Decke dabei. Unterwegs schliefen die Krieger in hastig errichteten Strauchhütten oder unter freiem Himmel. Bei den Cheyenne gab es die Sitte, dass ein junger Krieger den Anführer bediente, ihm Pemmikan und Wasser brachte und seine Pferde versorgte.
Im Feindesland ritten Kundschafter voraus, bei den meisten Stämmen »Wölfe« genannt, weil sie sich wachsam und lautlos wie Wölfe bewegten. Mit Wolfslauten tauschten sie Nachrichten aus. Die Krieger mieden Hügelkämme, um sich nicht gegen den Himmel abzuheben, ritten möglichst über harten Boden, um keine Spuren zu hinterlassen. Indianer aller Stämme waren hervorragende Spurenleser, konnten anhand eines Hufabdrucks erkennen, wie schwer ein Pferd und sein Reiter waren, brachten es sogar fertig, die Farbe eines Tieres zu bestimmen, falls die Pferde schwitzten und Fellhaare zu Boden gefallen waren. Manchmal hüllten sich die Männer eines Kriegstrupps zur Tarnung in Büffelfelle.
In unmittelbarer Nähe des feindlichen Lagers zogen sich die meisten Krieger bis auf den Lendenschurz und die Mokassins aus, um sich im Kampf freier bewegen zu können. Die Gesichter bemalten sie mit Kriegsfarben, den Körper mit Mustern, die sie in Träumen und Visionen gesehen hatten. Sie überprüften Bogen und Pfeile, Kriegsäxte, Lanzen, Messer und später auch Gewehre und Pistolen. Am liebsten griffen sie im Morgengrauen an, wenn die feindlichen Wachen am unaufmerksamsten waren. Die in Filmen und Romanen verbreitete Behauptung, die Indianer würden aus Angst vor den Geistern nachts nicht kämpfen, ist nur teilweise richtig. Wenn es zu ihrem Vorteil war, kämpften sie auch nachts.
Vor ihrer Rückkehr ins Dorf reinigten sich die Krieger gründlich. Die Spuren der Feinde sollten nicht mehr an ihren Körpern und ihrer
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