Jeier, Thomas
Schwertern. Ein Mann entkam und kehrte wenige Tage später mit einer Übermacht an Kriegern zurück. Es kam zu einem erbitterten Kampf, in dessen Verlauf mehrere Männer verwundet und getötet wurden. Thorwald wurde von einem Pfeil in die Achselhöhle getroffen und starb.
Diese erste Auseinandersetzung zwischen Indianern und Weißen war das einzige historisch belegte kriegerische Aufeinandertreffen, in der die Gleichheit der Waffen gewährleistet war. Die Wikinger waren nicht besser ausgerüstet als die Indianer, auf beiden Seiten gab es Speere, Kriegsäxte, Pfeil und Bogen, und selbst mit ihren Schwertern konnten sich die Nordmänner keinen Vorteil verschaffen. Im Kampf gegen die »Skraellings« (»schmutzige Wilde«), wie sie die Indianer verächtlich nannten, mussten die Wikinger eine ihrer wenigen Niederlagen hinnehmen und konnten sich glücklich schätzen, dass die Eingeborenen schon nach kurzer Zeit die Lust am Kampf verloren und sich in die Wälder zurückzogen. Durch Thorwalds qualvollen Tod entmutigt, kehrten die Wikinger nach Grünland zurück.
Um 1009 landeten nochmals Wikinger in Amerika. Thorfinn Karlsefni ließ sich mit 160 Siedlern in Vinland nieder und ging wesentlich besonnener als Thorwald vor. Er erkannte, dass man von den Skraellings auch profitieren konnte, und begann einen regen Handel mit ihnen. Vor allem Milchprodukte und roten Stoff tauschte er gegen begehrte Felle. Doch als einer seiner mitgebrachten Bullen aufgeschreckt wurde und aus dem Wald stürmte, glaubten die Indianer an »schlechte Medizin« und flohen überhastet. Drei Tage später kehrten sie zurück und vertrieben die Nordmänner aus ihrem angestammten Gebiet. Der zweite Triumph der Eingeborenen, wieder unter Gleichheit der Waffen, war ein Indiz dafür, dass lediglich die zahlenmäßige Überlegenheit und die bessere Bewaffnung der in späteren Jahrhunderten kommenden Europäer für den Untergang der Indianer verantwortlich war. In taktischer und strategischer Hinsicht waren die waffentechnisch eher rückständigen Indianer den weißen Eroberern ebenbürtig, eine Tatsache, die später auch von führenden Generälen der US-Armee anerkannt wurde.
Bei den Indianern, die Thorwald und Thorfinn besiegten, handelte es sich mit ziemlicher Sicherheit um die Beothuk, ein kleines Volk, das auf Neufundland lebte und wegen seiner Vorliebe für roten Ocker auch »Red Indians« genannt wurde. Sie färbten ihre Haare und bemalten ihren ganzen Körper mit roter Farbe, verzierten ihre Kleidung, Haushaltsgegenstände, Waffen und Werkzeuge mit der leuchtenden Erdfarbe. Der rote Ocker stärkte ihre Identität als eigenständiger Stamm. Sie waren erst um 200 nach Christus nach Neufundland gekommen und hatten die dort lebenden Inuit nach Norden verdrängt. Die Beothuk lebten abgeschieden und begegneten Fremden eher zögerlich, was vermutlich der Grund dafür war, dass Leif Eriksson und seine Leute sie während ihres einjährigen Aufenthaltes nie zu Gesicht bekamen.
Erst im 16. Jahrhundert kam es zur neuerlichen Begegnung zwischen Beothuk und europäischen Eroberern, diesmal allerdings unter veränderten Vorzeichen. Die französischen Fischer, die in den reichen Fischgründen vor der Küste von Neufundland ihre Netze auswarfen, waren besser bewaffnet und hatten Werkzeuge und Geräte aus einem Material dabei, das die Beothuk nicht kannten. Aus Vorsicht mieden die Indianer jeden Kontakt mit den Weißen. Kaum hatten die Fischer jedoch einen Stützpunkt verlassen, sammelten die Beothuk die eisernen Haushaltsgeräte und Werkzeuge ein, die auf dem Lagerplatz zurückgeblieben waren. Aus dem Metall formten sie Pfeilspitzen, um besser gegen ihre Feinde, die benachbarten Micmac, gerüstet zu sein.
Zum Krieg kam es 1613, als einer der Fischer einen Beothuk beim Stehlen erwischte und ihn erschoss. Im Gegenzug töteten die Beothuk 37 Fischer und beschworen damit die Rache der Franzosen herauf. Um weitere verlustreiche Auseinandersetzungen zu umgehen, beschenkten die Franzosen die Micmac mit Feuerwaffen und setzten Kopfprämien auf die Beothuk aus. Letztere flohen ins Inland, mussten aber hohe Verluste hinnehmen und litten auch unter der Herrschaft der Engländer, die ungefähr zur gleichen Zeit ihre Fühler nach dem späteren Neufundland ausstreckten und noch skrupelloser gegen die Eingeborenen vorgingen als die Franzosen. Shanawdithit, die im April 1823 von englischen Siedlern entführt wurde, den Namen »Nancy April« bekam und während ihrer letzten Jahre als
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