Jeier, Thomas
Verbündete. Wanchese erkannte die Gefahr, die von ihnen ausging, und sah sie als ernsthafte Bedrohung an.
Während England und Spanien in Europa auf einen Krieg zusteuerten, errichtete Sir Richard Grenville einen Stützpunkt auf Roanoke Island. Häuptling Wingina hieß sie willkommen, er sah seine Machtstellung im Bündnis gegen die benachbarten Stämme gestärkt. Obwohl eines der Proviantschiffe in einem Sturm gekentert war, legten die Engländer keine Felder an, sondern verließen sich darauf, von Wingina mit Lebensmitteln versorgt zu werden. Die meisten Engländer waren Soldaten und eher daran interessiert, Gold und andere Schätze zu finden. Am 11. Juli gingen sie mit vier Schiffen und 50 Mann auf Entdeckungsfahrt, ankerten vor dem Festland und besuchten einige Dörfer der benachbarten Secotan. Als sie nach ihrem Besuch in Aquascogoc einen wertvollen Silberbecher vermissten, verdächtigten sie die Einwohner des Diebstahls und brannten ihr Dorf und ihre gesamte Maisernte nieder. Durch den plötzlichen Sinneswandel der Engländer geschockt, flohen die Secotan ins Inland. Ob sie den Silberbecher tatsächlich gestohlen hatten, wurde niemals geklärt und erscheint auch unerheblich angesichts der negativen Folgen, die der Überfall auf die Beziehung zwischen den Siedlern und den Indianern hatte. Ausgerechnet Ralph Lane, ein überzeugter Soldat und nicht gerade zimperlich im Umgang mit den Indianern, beklagte sich darüber, dass er »mitten unter Wilden die Verantwortung für Wilde der eigenen Nation« zu tragen habe.
Nachdem die Engländer am 17. August 1585 die Fertigstellung ihres großen Forts gefeiert hatten, begannen sich die Dinge immer mehr zum Schlechten zu wenden. Nur fünf Tage später brach Grenville mit einem Großteil der Männer nach England auf und ließ Ralph Lane als neuen Gouverneur der Kolonie mit 107 Mann im Fort zurück - ohne Vorräte und Lebensmittel. Den Indianern versprach Lane, sie nicht um Nahrung zu bitten. 1585 war ein extrem trockenes Jahr, und die Ernte fiel schlechter aus denn je. Natürlich kam es, wie es kommen musste: die Soldaten stahlen Nahrungsmittelvorräte, es folgten mehrere Scharmützel und handgreifliche Auseinandersetzungen, die das Ende der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Roanoke-Indianern und den Engländern bedeuteten.
Normalerweise hätten die wenigen Soldaten kaum eine Chance gegen die gewaltige Übermacht der Indianer gehabt. Doch als im September ein Komet über den Himmel zog und zeitgleich eine schwere Krankheit unter den Indianern ausbrach, an der Winginas Bruder und viele andere Indianer starben, hatten die Engländer leichtes Spiel. Die Roanoke glaubten, von bösen Geistern heimgesucht zu werden, denn warum sonst wurden die blassen Männer von der Krankheit verschont? Woher sollten die Indianer auch wissen, dass die Engländer eine Krankheit eingeschleppt hatten, vermutlich eine gewöhnliche Grippe, gegen die die Indianer keine natürlichen Abwehrkräfte besaßen. Ralph Lane nutzte die Schwäche der Roanoke aus und führte eine kleine Streitmacht in Winginas Dorf. Die Männer enthaupteten den Häuptling und einige Stammesälteste.
Dennoch besserte sich die Lage der Engländer kaum. Die gestohlenen Vorräte reichten nur ein paar Tage, und der strenge Winter tat ein Übriges, um ihre Moral zu schwächen. Das versprochene Vorratsschiff blieb aus. Zu ihrem Glück traf Sir Francis Drake im Frühjahr 1585 vor Roanoke Island ein und erklärte sich bereit, den Siedlern ein Schiff zur Verfügung zu stellen; entkräftet von dem entbehrungsreichen Winter kehrten sie nach England zurück. Inzwischen traf Sir Richard Grenville mit neuen Siedlern in Amerika ein und ließ 18 Mann als Besatzung im Fort zurück. Wahrscheinlich wurden sie von Wanchese, der Winginas Nachfolge angetreten hatte, und seinen Kriegern getötet.
Die Indianer glaubten, die Engländer für alle Zeiten von Roanoke Island vertrieben zu haben, wurden 1587 jedoch eines Besseren belehrt. Sir Walter Raleigh hatte drei Schiffe unter dem Befehl von John White nach Amerika geschickt, um den erneuten Versuch zu unternehmen, eine dauerhafte Siedlung in Virginia zu errichten. Über 100 Passagiere waren an Bord, darunter 17 Ehepaare mit ihren Kindern. Auf Roanoke Island versuchten sie vergeblich, an die früheren guten Beziehungen zu den Indianern anzuknüpfen, aber die Angst der Roanoke vor erneuter Rache der bösen Geister oder Übergriffen war zu groß.
Als positives Omen sahen die Engländer die
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