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Jeier, Thomas

Jeier, Thomas

Titel: Jeier, Thomas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ersten Amerikaner Die
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Trance zu geraten und eine Vision zu bekommen. Gefeiert wurde im Sommer, wenn sich die verbündeten Stämme der Sioux, Cheyenne und Arapaho zur großen Büffeljagd trafen. Die Zeremonie bot ihnen die Möglichkeit, Verwandte und Freunde zu treffen und sich auszutauschen. Man lauschte den Geschichtenerzählern und sang und tanzte zum Klang der Trommeln.
    Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand jene Zeremonie, die in der großen Sonnentanzhütte oder »Medicine Lodge« stattfand, einer kreisförmigen Strauchhütte, in deren Mitte der Sonnentanzpfahl emporragte. Der geweihte Stamm war mit einem Büffelschädel, dem Symbol des heiligen Tieres, das den Indianern alles zum Leben Notwendige schenkte, sowie Tabak und anderen heiligen Gaben geschmückt. Die Krieger bewegten sich kreisförmig um den Pfahl herum und tanzten bis zur Erschöpfung. Umwölkt vom heiligen Rauch des schwelenden Sweetgrass hatten sie Visionen, die sie mit neuer Energie und Zuversicht erfüllten. Von weißen Beobachtern meist dramatisiert, aber nur Teil der Zeremonie, war die Selbstmarterung, der sich einzelne Krieger unterzogen, die sich kleine Holzpflöcke durch die Brust stießen, lange Seile aus geflochtenem Büffelhaar daran knoteten und am heiligen Pfahl befestigten. Im grellen Licht der Sonne tanzten sie so lange, bis ihre Haut riss, und die Pflöcke zu Boden fielen. Mit dieser »Mutprobe« verbanden sie meist einen Schwur oder ein Gelübde.
    Den europäischen Missionaren erschien der Sonnentanz als »heidnische Barbarei«. Die US-Regierung verbot ihn von 1904 bis 1935 und erlaubte danach die abgeschwächte Form ohne die Selbstmarterung. Da moderne Sonnentänze meist an geheimen Orten durchgeführt werden, lässt sich nur schwer ermitteln, inwieweit das Verbot der Selbstmarterung eingehalten wird. Die christlichen Kirchen bekämpfen den Sonnentanz und andere Relikte der »heidnischen Vergangenheit« noch heute vehement, verurteilen sie mit ähnlicher Ignoranz und Intoleranz, die schon die ersten Missionare im 15. Jahrhundert zeigten.

    Im Namen der Kirche
    Mit dem arroganten Anspruch, den einzigen Schlüssel zum Himmelreich zu besitzen, begegnete die christliche Kirche den »heidnischen Eingeborenen« in Nordamerika. Wie in zahlreichen anderen Kolonien schickte man Missionare zu den »Wilden«, um sie möglichst schnell für den wahren Glauben zu gewinnen. Nach dem Verständnis der christlichen Kirche konnte es nur einen wahren Gott geben, den Glauben der Indianer tat man als »Geisterglauben« und »Hokuspokus« ab. Nur im absoluten Gehorsam gegenüber einem strengen Gott, der jeden Ungläubigen mit Hölle und Verdammnis bestrafte, konnte das Heil liegen.
    Die europäischen Herrscher sahen in den Missionaren willkommene Bundesgenossen. Sie sollten ihnen helfen, das indianische Gemeinwesen zu kontrollieren und den Einflussbereich ihrer Regierungen zu erweitern. Auch weil in Nordamerika nur »Heiden« lebten, glaubte man das Recht zu besitzen, das freie Land »im Namen Gottes« erobern zu dürfen.
    Die Missionierung der Indianer begann 1492 mit der Ankunft von Christoph Kolumbus. Ferdinand Columbus, der zweite Sohn des Entdeckers, nannte die europäischen Eroberer in seinem Bericht lediglich »Christen« und hielt es wie alle Europäer der damaligen Zeit für selbstverständlich, dass ein zivilisiertes Volk das Recht hätte, die »einfachen Wilden« zu unterjochen. Im Spanien des 15. und 16. Jahrhunderts bildeten Staat und Kirche eine Einheit; die Eroberung eines fremden Landes war ohne die Missionierung der dort lebenden Eingeborenen gar nicht denkbar. Die Mönche und Pater ließen Andersgläubigen nur die Wahl, sich taufen zu lassen oder zu sterben. Selbst die Konvertiten mussten noch befürchten, von der Inquisition infrage gestellt zu werden.
    Die Inquisition erreichte die Neue Welt um 1570 und startete die weltlichen Gouverneure und die angeblich von Gott gesandten Missionare mit einem Freibrief für Willkür und rücksichtsloses Vorgehen aus. Zwar verzichteten die Inquisitoren darauf, die konvertierten Eingeborenen der Wahrheitsprüfung zu unterziehen, wie es im spätmittelalterlichen Europa geschah, und es wurden auch keine Menschen als Hexen und Hexer verbrannt, doch schon beim leisesten Vergehen gegen die strenge Doktrin der Kirche wurden sie bestraft und gefoltert. Die Abgesandten waren Vertreter der allmächtigen Kirche und fühlten sich autorisiert die Eingeborenen durch die Ausübung von Gewalt zu disziplinieren.
    Denn die primitiven

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