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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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Soldaten. Und so geht’s jetzt an uns aus, Kruzifix, daß wir den Krieg gewonnen haben!«
    »So ist’s! Die Großen haben ihn gemacht, und wir Kleinen haben das Schlamassel!« pflichtete ihm der Schenkkellner bei. »Mein Schwager, zum Beispiel, der ist bei Sedan dabeigewesen. Aber bei der Siegesparade in München nicht. Weil er bloß noch einen Fuß gehabt hat, nach Sedan. Deswegen haben dann in München die Generäle und Prinzen ohne ihn paradiert, unter dem Glockenläuten und unter den Fahnen. Die nämlich haben ihre gesunden Glieder alle noch gehabt. Die haben ja auch bloß kommandiert und haben die Köpf nicht hingehalten.«
    »Die brauchen auch keine Arbeit im Holz«, kam der Girgl wieder auf sein eigentliches Thema zurück. »Aber ich schon! Und die Kameraden, die draußen neben mir im Schützengraben gelegen haben, auch! Himmel, Arsch und Wolkenbruch! Dem Sägemüller, der Fettsau, hätt’ ich den Lagerplatz anzünden können, wie ich auf einmal ein Arbeitsloser gewesen bin!« Einen Enzian kippte Georg Jennerwein, schwemmte mit Bier nach, brachte die Virginia gräßlich zum Glühen. »Aber was tät’ denn ein Feuer in Gmund nützen?« zischelte er dann. »Wenn, dann müßten schon gleich die Paläste in Rauch und Flammen aufgehen! Den Prinzen Karl von Bayern müßt’s treffen, den ganz großen Herrn bei uns da am Tegernsee! Dem müßt’ man einmal zeigen, wo der Bartl den Most holt! Daß er und das andere Wittelsbacher-Gesocks es sich für alle Zeiten hinter die Löffel schreiben täten…«
    »Ein anderer als ich wenn dich jetzt gehört hätt’ und tät’ dich hinhängen, das könnt’ dich teuer zu stehen kommen«, wiegelte der Saufkumpan des Girgl, erschrocken auf einmal, ab. »Glaubst denn nicht, daß du irgendwo anders vielleicht doch noch eine Arbeit findest? Am Schliersee drüben, so hab’ ich jedenfalls läuten hören, soll’s nicht ganz so schlimm stehen wie hier. Oder du gehst für ein oder zwei Jahre nach Tirol hinüber, bis bei uns die Zeiten wieder besser geworden sind.« Er grinste schief über seinen Stamper hinweg. »Die Österreicher nämlich sind nicht so siegreich gewesen wie wir, deswegen gibt’s bei denen noch immer Arbeit und Brot.«
    »Zu überlegen wär’s«, murmelte Georg Jennerwein. »Eine Heimat hab’ ich eh nie gehabt. Zu Haid nicht, zu Gelang nicht, und auch hier ist’s immer bloß die Holzknechtsbaracke gewesen. Warum also nicht ins Ausland gehen, wenn’s dort vielleicht besser ist? Aber heut mag ich mir den Schädel nicht mehr zerbrechen deswegen. Heut mag ich bloß noch meinen Rausch haben! Wenn die Flasche da hingemacht ist, Bruder, bringst du uns eine neue. Und eine frische Maß brauch’ ich auch wieder! Da schau her – der Keferloher ist leer!« Dem zufälligen Reim, der ihm aus dem Maul gefahren war, sinnierte der Girgl mit dröhnendem Schädel nach, dann begann er auf einmal keckernd zu lachen und keckerte sich in der Folge immer tiefer in seinen Rausch hinein, bis er nichts mehr wußte, gar nichts mehr.
     
    *
     
    Spät am nächsten Morgen erwachte er im Heustadel hinter dem Wirtshaus. Einen Geschmack hatte er im Mund, daß er auf der Stelle hätte kotzen können. Und die rechte Schulter war gräßlich verschwollen und steif. Ob er am Ende gar noch in eine Rauferei hineingeraten war, überlegte er, während er sich am Brunnentrog notdürftig wusch. Aber keine Erinnerung kehrte ihm zurück, kein Fetzen. Statt dessen kam jetzt wieder der Durst. Doch der Grauäugige verkniff sich die Rückkehr in die Gaststube, schlaunzte bloß eine Menge kaltes Wasser in sich hinein, dann machte er sich – immer noch taumelig – auf den Weg hinüber zum Schliersee. Denn das hatte er schon noch im Schädel, daß ihm der Schenkkellner dazu geraten hatte, es am Schliersee zu versuchen oder in Tirol. Österreich freilich schien ihm für den heutigen Tag zu weit; schon bis Hausham hinüber pfiff er aus dem letzten Loch. Nachdem er sich im dortigen Wirtshaus aber mit einer Brotzeit und zwei Maß Bier gestärkt hatte, fand er die Kraft, das Klinkenputzen und das Betteln um Arbeit anzufangen.
    Da und dort sprach er vor und horchte er herum, und dann, in der Westenhofener Gemeinde, hatte er Glück. Der Bauer zu Unterschwaig, dem etliche hundert Tagwerk Wald gehörten, suchte einen neuen Holzknecht, weil einer von seinen alten Leuten bei Gravelotte geblieben war. Georg Jennerwein, nachdem ihm der gleiche Lohn wie vor dem Krieg zugesichert worden war, schlug ein. Und in die Baracke

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