Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
Vom Netzwerk:
Satansanbetern geworden waren. Sich durch die Fratze des Krieges säbelnd, blutbespritzt vom Scheitel bis zur Sohle, die Stabsärzte, die hastig ausgebildeten Sanitäter ohne jegliche Operationserfahrung. Und dazwischen, um der Blasphemie das scheinheilige Krönchen aufzusetzen, die Adelsweiber, die Baronessen und Komtessen, die für die verratenen und verkauften Landser fromme Sprüche und Heiligenbilder übrig hatten und sonst nichts; die nach erledigtem Werk der Barmherzigkeit, der vermeintlichen, fromm die Augen zum Himmel erhoben und im aristokratischen Gottsäuseln, im einmal mehr bewährten Bündnis von Thron und Altar das wieder vergaßen, was sie eben noch gesehen hatten.
    Der Krieg aber fratzte weiter, und während MacMahon sich nunmehr mit Bazaine {62} zu vereinigen versuchte, schwenkte die Dritte Deutsche Armee, bei der auch die beiden bayerischen Korps standen, auf Châlons ein. Wenig später stieß die Maas-Armee unter dem Oberbefehl des Kronprinzen von Sachsen dazu, und nun sah sich MacMahon unvermittelt gezwungen, einen verzweifelten Durchbruchsversuch zu unternehmen, ohne daß ihm Bazaine noch rechtzeitig hätte zu Hilfe kommen können. In den letzten Augusttagen flackerte das Metzeln damit erneut ungeheuerlich auf.
     
    *
     
    Johann Pföderl und ein paar andere Infanteristen waren an diesem Tag zur Artillerie abkommandiert worden; eine Batterie von Reservegeschützen sollte unter zusätzlicher Bedeckung nach vorne gebracht werden. Der Dunkle und seine Leute sicherten links und rechts des ausgefahrenen Karrenweges, griffen gelegentlich auch in die Speichen der Protzen {63} , wenn der von tausend Stiefeln und Hufen zermahlene Grund zu schlammig wurde. Drüben, wo die Stadt Metz lag, schien sich der Himmel in regelmäßigen Abständen wie unter einem Blutsturz rötlich einzufärben. Drehte der flackrige Wind, dann trug er immer wieder das Kanonenraunzen und dazwischen das dünne Musketenknattern heran.
    Der Gefreite sehnte sich danach, ganz vorne an der Front rennen, feuern, säbeln und schlachten zu dürfen; das grelle, befreiende Ausbrechen von Fröschweiler, von anderen mörderischen Exzessen saß ihm nach wie vor in den Gehirnwindungen fest. Doch der heutige vermaledeite Tag schien ihm weiteren Ruhm nicht einbringen zu wollen; während die Geschütze weiter und weiter durch den Schlamm rasselten, fluchte Johann Pföderl immer häufiger, griff auch immer öfter nach der Feldflasche, in der er den Schnaps hatte.
    Aber dann, ganz plötzlich, aus einem Hohlweg heraus der Kavallerieangriff. Drei, vier Dutzend Dragoner, die Säbel waagrecht wie Lanzen gezückt. Die Bedeckung der ersten Haubitze fiel im Handumdrehen, um die zweite und dritte entbrannte gleich darauf der Nahkampf. Die vierte, neben der Pföderl marschiert war, blieb im Augenblick eher unbeachtet stehen. Hinterm Protzenwagen kauerte der Gefreite und feuerte, so schnell er konnte. Legte einen Franzosen um, dann noch einen; einen Lidschlag später aber gingen die beiden verdammten Artilleriegäule durch. Sie zerrten die Kanone davon, bis in den Hohlweg hinein; dort blieben die schweren, nebeneinandergeschirrten Pinzgauer wie in einem Flaschenhals stecken. Pföderl war neben der Haubitze hergerannt, um der Deckung willen; als er jetzt die Muskete erneut anschlug, sah er, daß das Scharmützel für die Deutschen bereits so gut wie verloren war. Bloß noch ein knappes Dutzend wehrte sich im wild kreisenden Ring der französischen Dragoner, aber dann zogen sich die auf einmal wieder zurück, um sich ganz offensichtlich zum finalen massenhaften Überreiten des Feindes zu formieren.
    Johann Pföderl sah diese Absicht der Kavalleristen voraus; er sah auch, wie die überlebenden Deutschen jetzt entsetzt zu rennen begannen. Den Leutnant sah und hörte er verzweifelt und vergeblich noch brüllen, und dann fielen die Dragonerrappen auch schon wieder in Galopp, und der säbelschwingende Pulk fegte schier apokalyptisch heran – mitten hinein ins Heulen und in den Feuerschweif der Haubitzengranate.
    Der Gefreite, einmal mehr zur Kampfmaschine geworden, hatte das ihm verbliebene Geschütz wie ein Rasender geladen, hatte es auch noch ausrichten können, im allerletzten Moment, und jetzt schien das Geschoß eine fleischfetzige und blutsprühende Furche durch das Reiterrudel zu pflügen; der ungeheuerliche Hieb aus nächster Distanz ließ den Angriff von einem Herzzucken zum nächsten in sich zusammenbrechen. Und dann machten auch die Fliehenden kehrt,

Weitere Kostenlose Bücher