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Jennerwein

Jennerwein

Titel: Jennerwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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mußte er am Schliersee auch nicht mehr. Eine leerstehende Kate in Hofnähe hatte der Unterschwaiger für ihn; dort konnte er in Zukunft hausen, am eigenen Herd. Die Wälder am Pürstling und am Schliersberg waren von der Hofstelle aus jeden Morgen schnell zu erreichen.
    Zu dritt zogen sie hinauf, die erste Woche über: der Girgl, dazu der Wastl und der Lorenz, die beide verheiratet waren und direkt in Westenhofen auf ihren Gütlerstellen lebten. Ein paar Tage dauerte es, bis Georg Jennerwein sich zusammengerauft hatte mit den Alteingesessenen; nachdem sie aber erst gesehen hatten, daß er hinlangen konnte mit der Säge und mit der Axt, nahmen sie ihn in ihren Kreis auf und faßten Zutrauen zu ihm. Zögerlich trieb der Girgl dank der harten Knochenarbeit heraus aus der Erinnerung an den Krieg, wurzelte sich Beilhieb um Beilhieb und Sägezug um Sägezug wieder ein in die gebirglerische Welt, und dann, am ersten freien Sonntag, fiel ihm die Mirl, die Sennerin auf der Buchbergeralm oberhalb von St. Quirin, wieder ein. Der Stutzen, aber eigentlich eher hinten im Schädel, dazu. Ebenso die Spielhahnfeder, die er damals im Beutel zusammen mit dem Pulver und dem Blei bei ihr gelassen hatte. Einen Juchzer ließ Georg Jennerwein durch die noch morgendämmrige Katenstube schallen, dann machte er sich unverzüglich auf den Weg.
    Direkt am Wallenburger und dann am Öder Kogel vorbei lief er hinüber. Als er den letztgenannten Gipfel passierte, wurden ihm die alten Erinnerungen mehr und mehr wach. In das Revier war er zurückgekehrt, in dem er seine ersten schwarzen Schüsse abgegeben hatte. Der Kitzel, die Lust am Verbotenen, lichtelte ihm wieder hinein ins Gehirn und ins Herz. Das andere Sehnen kam hinzu. Volle drei Jahre lang hatte er das Fleisch der Mirl jetzt nicht mehr gespürt. Durchs Tal zwischen dem Gaßler Berg und der Buchbergeralm rannte er mit heraushängender Zunge. Und dann sah er den Rauch aufsteigen über dem Hüttendach und polterte wenig später hinein ins Dämmrige, ins jäh wieder brutwarm Vertraute, und da stand die Mirl und bereitete sich gerade den Käseschmarren zu in der verrußten gußeisernen Pfanne.
    »Du!« Es riß ihm das kleine Wort förmlich aus der Brust heraus, und im Blut spürte er jetzt das Fieber noch stärker als die ganze Zeit schon.
    »Du…?!« Die Antwort der Sennerin kam überrascht, zögernd, gepreßt fast. Die Pfanne wurde vom Herdring gerückt, viel zu nachdrücklich. Und dann biß die Mirl auch schon ungut gegen ihn hin: »Drei Jahre! Und nicht einmal eine einzige Postkarte hast mir geschickt. Nichts, gar nichts hast von dir hören lassen!«
    »Ich war doch im Krieg«, versuchte der Girgl sich herauszureden. Näherte sich der Blonden dabei um ein paar Schritte, hatte trotz allem noch immer die Hoffnung in den Lenden, irgendwo im Herzen vielleicht auch. Als er sie jedoch packen wollte – die Hoffnung und die Frau –, stemmte ihm die Mirl die Fäuste gegen die Brust. »Im Krieg warst du bloß ein paar Monate«, fauchte sie ihn an. »Vorher, als du in München in der Garnison gelegen hast, hättest schon Gelegenheit gehabt, wenn dir was an mir gelegen wär’! Aber da hast du’s ja fleißig mit den anderen treiben müssen! Kameraden von dir, die auf Urlaub heimgekommen sind, haben’s erzählt…«
    »Geh zu! Ich hab’ doch immer bloß an dich denken müssen«, versuchte es der Girgl noch einmal. »Und der Dienst war so hart! Mußt es mir schon glauben! Das Soldatsein ist kein Zuckerschlecken, auch im Frieden nicht…«
    »Wo du herumgeschleckt hast, mag ich gar nicht wissen!« brach es da wütend aus der Sennerin heraus. »Und jetzt sag’ ich’s dir auch klipp und klar ins Gesicht, daß ich mir längst einen anderen gefunden hab’! Im 69er Jahr schon ist der Oberneder zum ersten Mal zu mir gekommen und ist dageblieben über Nacht. Und deswegen ist jetzt kein Platz mehr für dich auf der Buchbergeralm, das schreib dir hinter die Ohren!«
    »Der Oberneder-Franz ist’s?!« stotterte Georg Jennerwein. »Der Jäger von Wiessee?!«
    »Kein anderer!« gab die Mirl ihm triumphierend heraus. »Das ist ein Anständigerer als du. Der hat eine Position und ein Geld im Sack! Und andere Weibsbilder schaut er auch nicht an, das hat er mir hoch und heilig geschworen…«
    Georg Jennerwein hatte schon längst von der Sennerin abgelassen; wie gemaulschellt hockte er auf der Ofenbank jetzt und konnte bloß noch dumm schauen. Und dann, jäh, kam der Schreck. »Der Stutzen!« ächzte er. »Du

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