Jenny heftig in Noeten
ein durchdringendes »Muh« röhrte und sich dann übergangslos weiter mit der Cheerleader-Kollegin unterhielt, die ihr gegenübersaß.
»Hört auf!«, rief Cara in Richtung der Tische, an denen die Beliebten und Bewunderten saßen und von wo die meisten – aber nicht alle – Muhrufe kamen. »Das ist gar nicht witzig.«
Traurigerweise weiß ich, dass Cara alles dafür geben würde, wenn sie nur bei ihnen sitzen dürfte. Bei den Beliebten, meine ich, wo auch die Muhrufer sitzen. Cara ist eine große Bewunderin der Sportfreak- und Cheerleader-Fraktion. Keine Ahnung wieso, ich hab mich schon mit Courtney Deckard und ihresgleichen unterhalten, und die Gespräche klingen ungefähr so: »Bei Bebe war ja gerade Ausverkauf, warst du auch da? Endgeil, ich sag’s dir« oder »Ich wollte ja, dass sie mir die Zehennägel im French-Style lackiert, damit man sieht, wie braun ich bin, aber ich finde, das Rosa ist viel zu rosa geworden, oder?«
Nicht dass die Gespräche an unserem Tisch so viel anregender wären.Aber wenigstens reden wir über Themen,die ein bisschen über das hinausgehen, was Die-und-Die auf der Party von Dem-und-Dem wieder angehabt hat und ob das Jogurteis von Tasti D-Lite wirklich vollkommen fettfrei ist.
Trotzdem ist Cara fest davon überzeugt, irgendetwas Entscheidendes zu verpassen, und versucht immer wieder verzweifelt, sich bei der Clique der viel Umschwärmten anzubiedern, indem sie sich die richtigen Klamotten und die richtigen Frisuren zulegt.
Aber was heißt schon richtig? Richtig für wen? Für Cara bestimmt nicht. Sie hat zwar genau die gleiche Caprihose wie Courtney Deckard, aber sie sieht darin einfach nicht gut aus – jedenfalls nicht wie Courtney Deckard. Noch nicht mal annähernd.
Und obwohl sie die gleiche Haarfarbe hat wie Courtney – honigblond (und sogar vom selben Frisör gefärbt) –, sieht honigblond an Mädchen wie Courtney einfach viel besser aus als an Mädchen wie Cara.
Cara stehen die Klamotten, von denen Courtney und ihre Freundinnen meinen, jedes coole Mädchen müsse sie tragen, so was von überhaupt nicht, dass genau die Leute, die sie damit beeindrucken will, gar nicht anders können, als zu grinsen.
Besser gesagt: zu muhen.
Wäre es ihr egal, was andere über sie denken, wäre das ja alles kein Problem. Wir haben eine ganze Menge übergewichtiger Schüler an der Schule. Aber die Einzige, die darunter so richtig krass leiden muss, ist Cara.
Caras Reaktion auf das Gemuhe macht das Muhen für die Muher noch lustiger. Wenn sie die Leute anfleht, doch bitte aufzuhören, muhen sie nur lauter. Ich verstehe nicht, wieso Cara das nicht versteht, ich hab es ihr oft genug gesagt… na ja, Annie hat es ihr jedenfalls gesagt.
Aber Cara reagiert auf gar nichts normal. Statt ihr Tablett zu packen und sich irgendwo außerhalb der Schusslinie hinzusetzen, drehte sie sich auch jetzt wieder wie wild im Kreis, um herauszufinden, wo das Muhen genau herkam.
»Aufhören!«, rief sie mit schriller Stimme. »Aufhören, hab ich gesagt!«
Zuletzt passierte das, was fast jeden Tag unweigerlich passiert. Irgendjemand fing an, Cara mit Essen zu bewerfen. Dieses Mal war es eine Ofenkartoffel. Sie traf Cara genau an der Stirn, worauf sie ihr Tablett fallen ließ – Salatblätter und Tropfen vom Jogurtdressing flogen durch die Gegend – und laut schluchzend aufs Mädchenklo flüchtete.
»Maaaann«, stöhnte ich, weil ihr Schluchzen das Stichwort für meinen Einsatz war und ich ihr wieder hinterhergehen konnte, um sie zu trösten.
»Spinne ich, oder was?« Luke sah sich verächtlich in der Cafeteria um. »Wie sind die denn drauf?«
»Ach, mach dir keine Sorgen«, meinte Geri Lynn. »Bis zur nächsten Stunde kriegt Jen Cara wieder hin.«
»Jen kriegt sie wieder hin…?« Luke sah mich an, als wäre ich die Außerirdische und nicht Cara. »Ist das etwa schon mal passiert?«
Trina verdrehte die Augen. »Schon mal? Wie wär’s mit ›jeden Tag‹?«
Ich lächelte Luke höflich an und stand auf, um nach Cara zu suchen.
Mr Steele, der Bio unterrichtet und das Pech hatte, an diesem Tag Pausenaufsicht zu führen, stand bereits vor dem Mädchenklo. »Cara!«, rief er durch den Türspalt. »Das wird schon wieder. Willst du nicht rauskommen und mir sagen, was passiert ist?«
Als er mich sah, glätteten sich die Sorgenfalten auf seiner Stirn.
»Ach, Jenny«, sagte er erleichtert. »Gut, dass du da bist. Kannst du dich bitte um Cara kümmern? Ich würde ja selbst, aber du weißt, das ist die
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