Jenseits aller Tabus
Höschen, holte ein Taschentuch aus ihrer Tasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn, dabei hätte sie sich am liebsten zwischen den Beinen trocken gelegt. Ob Craig sie in diesem Moment aus dem Schutz der Villa heraus beobachtete?
Sie ließ sich von Miles, dem braun gebrannten sechzigjährigen Bootsführer, in das Motorboot helfen, das die Angestellten jeweils zu ihren Schichten abholte und sie auch wieder nach Hause brachte. Nachdem Miles das Tau gelöst hatte, sprang er trotz seines Bauchumfangs behände in den schwankenden Daycruiser. Er startete sein »Baby«, wie er ihn nannte, schenkte seinen vier Passagieren ein Lächeln und fuhr los.
Mit aufgeregt pochendem Herzen schaute Lucille zurück zum Haus, entdeckte Bellamy jedoch zu ihrer Enttäuschung an keinem der Fenster. Lediglich Ava schlenderte mit einer Mülltüte zum Containerverschlag, der ebenso unauffällig in die Villa integriert war wie das Gärtnerhäuschen. Cory, der eine Reihe vor Lucille auf der anderen Seite saß, glaubte, sie würde ihn anschauen, nickte ihr zum Gruß zu und wandte sich, das Handy fest auf sein Ohr gepresst, ab. Eigentlich wollte sie nicht lauschen, doch sie schnappte trotz der Motorengeräusche einige Satzfetzen auf, die sie hellhörig machten.
»… natürlich war es heiß mit dir …«
Lucille spähte zu Ava, die in den Anbau eintauchte und sogleich wieder ohne Abfalltüte heraustrat. Ava und Cory kamen wohl nicht voneinander los.
»… das ist der Sex mit dir immer«, raspelte er mit Schlafzimmerstimme Süßholz.
Doch dann bemerkte Lucille, dass die Küchenhilfe kein Mobiltelefon in der Hand hielt. Lustlos schlurfte Ava über den Rasen und winkte dem Boot zu.
»… Liebling …«, hauchte Cory ins Handy und erwiderte nebenbei Avas Abschiedsgruß.
Lucille saß wie versteinert da. Hatte sie richtig gehört? Niemand beachtete Cory oder das Telefongespräch. Die Motorengeräusche waren laut, vielleicht täuschte sich Lucille auch. Rasch winkte sie, doch Ava hatte ihnen bereits den Rücken zugewandt und kehrte ins Haus zurück.
Cory zupfte an seinen blonden Locken. »Ich liebe dich.«
Hatte er das wirklich gesagt? Zu wem? Lucille horchte angestrengt. Komm schon, nenn einen Namen.
»… wir sehen uns morgen.« Cory beendete das Gespräch und steckte das Handy in seine Hemdtasche.
Rechtzeitig, bevor er über die Schulter zu Lucille zurücksah, vielleicht um zu prüfen, ob sie etwas mitbekommen hatte, drehte sie ihren Kopf zur anderen Seite und spähte betont interessiert zu den Luxusvillen auf den anderen Halbinseln. In Wahrheit nahm sie gar nicht wahr, was an ihr vorbeizog.
Sie hatte gehofft, dass Ava und Cory ein Paar wären und nicht nur erotische Spiele miteinander teilten, da Ava verliebt in den Gärtner schien. Aber er empfand offenbar nicht dasselbe für sie. Mit wem mochte er telefoniert haben? Es musste jemand sein, der in der Bellamy-Villa arbeitete oder dort verkehrte.
In Gedanken ging sie alle Mitarbeiter durch, dachte an Situationen, in denen sie Cory mit ihnen gesehen hatte, konnte sich aber nicht an etwas erinnern, das den Eindruck erweckt haben könnte, dass er noch mit jemand anderem intim war. Und nicht nur das! Er war verliebt, eventuell sogar liiert. Ava schien lediglich eine nette kleine Abwechslung zu sein. Oder hatte er mehrere Eisen im Feuer und vergnügte sich mit zwei oder noch mehr Liebhaberinnen parallel?
Himmel und Hölle liegen direkt beieinander, dachte Lucille, das wusste sie aus eigener Erfahrung. Sie musste Ava warnen; Cory, ihr Cory, spielte falsch und trampelte auf ihren Gefühlen herum. Der drollige Latino entpuppte sich als heißblütiger Casanova.
Am liebsten hätte sie ihn am Kragen hochgezogen und aus dem Boot geworfen. Sie hatte Männer satt, die ein falsches Spiel spielten!
9. KAPITEL
Lucilles nächste Schicht begann so bescheiden, wie ihre gestrige geendet hatte. Ausgerechnet Michelle Dearing begegnete ihr als Erste, als sie von der Umkleidekabine in den Korridor trat, um Patrick aufzusuchen und ihn nach ihren Aufgaben zu fragen.
Ungeduldig stelzte Michelle in der Eingangshalle auf und ab, einen dicken Ordner unter ihrem Arm geklemmt, und schaute auf die Standuhr, klassisch elegant wie alles in der Villa. Ihr verkniffener Mund ließ auf schlechte Laune schließen, vermutlich weil sie auf Craig Bellamy warten musste. Ihr Rock war einige Zentimeter kürzer an diesem Nachmittag, und die obersten Knöpfe ihrer himmelblauen Bluse standen offen, sodass man die
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