Jenseits der Eisenberge (German Edition)
entgleitet mir die Kontrolle über gewisse Dinge, dachte Lys zusammenhanglos. Müdigkeit überrollte ihn wie eine Sturmflut. Matt legte er sich ins Stroh zurück und war eingeschlafen, kaum dass er die Augen geschlossen hatte.
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Am nächsten Morgen saß er mit Erek und Nikor im Schankraum beim Frühstück. Der Raum war leer, abgesehen von ihnen und einer mürrischen Magd. Den Priester hatte er nicht mehr zu Gesicht bekommen, beinahe war er schon bereit zu glauben, dass die nächtliche Begegnung nur ein Traum gewesen war. Erst, als Nikor zusammenzuckte, bemerkte Lys, dass sich jemand neben ihrem Tisch befand, ein Mann mittleren Alters, in unauffälliger Reisekleidung, mit schütteren dunklen Haaren und nichtssagendem rundlichen Gesicht.
„Wenn Ihr erlaubt, möchte ich euch Gesellschaft leisten“, sagte er, zu Erek und Nikor gewandt. Die beiden starrten ihn misstrauisch an, doch Lys nickte kaum merklich – er hatte die Stimme des Priesters erkannt.
Rashmind, dachte er überrascht. Der Priester musste aus Rashmind stammen, der Akzent war eindeutig. Es gab wohl auf der gesamten Welt keine exotischere und gefährlichere Stadt als Rashmind, sogar Magie war dort erlaubt. Und Liebe unter Männern so rigoros verboten wie nirgends sonst …
„Setzt Euch“, brummte Nikor.
„Das ist freundlich von Euch“, sagte der Fremde mit leicht erhobener Stimme. „Lark ist mein Name, wandernder Tischler von Beruf. Ich wurde durch unglückliche Umstände von meiner Reisegruppe getrennt. In diesen Tagen sollte ein rechtschaffener Mann nicht allein wandern müssen.“
„Habt Ihr ein Pferd?“, fragte Erek, der sich zwar offenkundig keinen Reim auf all dies machen konnte, doch gewillt war mitzuspielen.
„Nein, aber ich kann gut und ausdauernd laufen, ich werde Euch gewiss nicht aufhalten, mein Herr.“
Die Magd stellte jedem von ihnen eine Schüssel Getreidebrei hin, dazu einen Krug stark verdünntes, schal riechendes Bier, den sie alle ignorierten. Lark und die beiden Soldaten begannen eine zähe Unterhaltung, während sie aßen und sich anschließend für den Aufbruch fertigmachten. Lys hielt die Fassade des Knechts aufrecht, bis sie die Herberge mitsamt Dorf hinter sich gelassen hatten, dann wandte er sich dem Priester zu, der neben ihm marschierte: „Nun, Ehrwürdiger Vater, vielleicht können wir jetzt über das reden, was Ihr mir sagen wolltet?“
„Gewiss. Vielleicht dort drüben, unter den Bäumen? Ich werde Euch nicht lange aufhalten.“
Sie ließen die Pferde grasen, die sich von diesem Halt, nur wenige Minuten nach ihrem Aufbruch, nicht weiter verwirrt zeigten. Alle vier lehnten sie sich an die Baumstämme, ein jeder von ihnen misstrauisch.
„Wie ich Euch bereits gestern Nacht sagte, bin ich ein Priester des Himmlischen Herrschers. Meine Geschwister in Purna haben mich gebeten, Euch auf dem Weg nach Irtrawitt abzupassen“, begann der Geweihte bedächtig. „Ich weiß, was – wen – Ihr dort sucht und bin angewiesen, Eure Reise zu erleichtern. Der Pass über die Eisenberge ist gefährlich für jemanden, der unauffällig bleiben will; er wird scharf bewacht und die Stürme haben längst begonnen.“
„Es gibt keinen anderen Weg hinüber“, sagte Erek stirnrunzelnd, doch Nikor schüttelte den Kopf: „Es gibt genug Legenden von geheimen Pfaden, dass mindestens einige davon wahr sein sollten.“
„So ist es“, erwiderte Lark, ohne zu lächeln. „Die Wege durch das Herz der Berge sind sehr gefährlich, ohne einen Führer würdet ihr nicht lebendig hindurchfinden.“
„Warum helft Ihr mir?“, fragte Lys lauernd. „Warum soll ich Euch vertrauen? Ich glaube Euch, dass Ihr ein Diener der Götter seid, aber meine Begegnung mit Euren, nun, Geschwistern am Königshof war nicht dazu angetan, meinen nicht allzu hell lodernden Glaubenseifer zu entflammen.“
„Ihr steht im Mittelpunkt politischer Intrigen und persönlicher Rachefeldzüge, junger Herr, die Liste möglicher Verbündeter ist kurz“, erwiderte der Priester ungerührt. „Die beiden Priesterschaften wünschen, dass Ihr überlebt, denn Ihr seid mit Euren politischen Vorstellungen unserer Meinung nach der am besten geeignete zukünftige König. Nur aus diesem Grund werde ich Euch und Eure Begleiter auf Pfade führen, die seit Jahrhunderten nicht mehr von Ungeweihten betreten worden sind. Vertraut mir, Lyskir, Fürst von Corlin und Weidenburg, oder versucht Euer Glück am Eisenpass.“
Mit verschränkten Armen hielt Lark dem
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