Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Seitenblick, dass sich niemand für sie interessierte.
„Nun iss“, befahl Erek und schob ihm eine Schüssel Fleischsuppe hin. „Verzeiht, ich würde Euch mit tausend Freuden den Braten überlassen“, setzte er hinzu, so leise, dass nur Lys ihn hören könnte.
„Du machst das großartig“, wisperte Lys zurück und lächelte beruhigend. Während er aß und seine Begleiter sich miteinander über unwichtige Dinge unterhielten, beobachtete er die Leute, die in seiner Nähe saßen, und belauschte ihre Gespräche. Eine Weile lang erfuhr er nichts, abgesehen davon, dass das Wetter wie üblich schädlich für die Ernte war, die Zangenkäfer sich übermäßig vermehrten und damit eine Bedrohung für die Wälder darstellten und die Steuerlast mit jedem Jahr schwerer zu tragen war. Dann aber hörte er seinen Namen und merkte auf:
„… junge Corlin soll zum König geritten sein. Kann ja nur bedeuten, dass Maruv mit ihm Frieden geschlossen hat.“
„Dann dankt der König wohl bald ab und wir haben diesen Jüngling am Hals.“
„Der soll gut zu seinen Leuten sein, der Bruder meiner Schwägerin kennt jemand, der bei Weidenburg lebt.“
„Arnalf, der Corlin ist weich wie schmelzende Butter. Unser König mag manchmal ungerecht gewesen sein auf seine alten Tage, aber der hat immer gewusst, wie man für Ordnung sorgt. Ich sag’s euch und merkt euch meine Worte: Unter dem Corlin werden wir aus dem Kriegszeug nicht mehr rauskommen.
Seht euch an, wie es uns geht, seit der oben mitmischt. Alle denken, die können ihn pflücken wie `ne reife Frucht und lauern auf den nächsten Angriff. Und wer muss kämpfen und sterben für den Ruhm der Oberen? Wir, und nur wir allein. Nein, den Corlinssohn brauchen wir nicht!“
Niedergeschlagen blickte Lys auf seine Suppe. Ihm war der Appetit vergangen. Nicht zum ersten Mal hörte er solche Reden, doch in den letzten Jahren hatte er sich den Ruf eines eher harten Adligen geschaffen, der mit eiserner Hand durchgriff. Wenn man ihm beim einfachen Volk nun wieder nachsagte, ein Schwächling zu sein, mussten seine Feinde gezielt Gerüchte dieser Art streuen, und das konnte bloß bedeuten, dass der Angriff auf ihn schon lange geplant gewesen war. Vielleicht stand Weidenburg bereits unter Belagerung?
Womöglich hat man nur gewartet, bis ich endlich über die Zugbrücke geritten war und dann sofort losgeschlagen!
Lys stand auf, halb im Sinn, nach seinem Schlafquartier zu fragen, halb mit dem Gedanken ein wenig frische Luft schnappen zu gehen und sich zu beruhigen. Dabei stieß er gegen den Tisch, so heftig, dass Nikors Bierkrug umfiel. Fluchend sprang der Gardist auf und erstarrte sogleich erschrocken: Seine Reaktion hatte Aufsehen erregt, die Umsitzenden an den Nachbartischen schauten neugierig zu ihnen herüber.
Lys fing sich als Erster, begann eine Entschuldigung zu stammeln und wischte fahrig über den Tisch, ganz wie ein ungeschickter Knecht, der er sein sollte. Dabei zischte er seinen beiden Herren mit gesenktem Kopf zu: „Los, macht schon!“
Erek reagierte befehlsgemäß. Er holte aus, versetzte Lys eine schallende Ohrfeige und schubste ihn schimpfend vom Tisch weg. Lys blickte sich schnell um: Alle grinsten über ihn und wandten sich dann desinteressiert ab. Das war gut gegangen! Niemand sollte sich an ihn erinnern, falls jemand nach dem Fürsten von Corlin fragte …
Wie lächerlich dieses Spiel doch ist, ein Theaterstück, das Spieler wie Zuschauer nur demütigt!
Er floh aus dem Schankraum, zurück in den Stall. Eigentlich war er froh über diesen kleinen Zwischenfall, so musste er sich nicht länger verstellen. Oder Dingen lauschen, die er nicht hören wollte.
„Kann ich hier schlafen? Meine Herren sind wütend auf mich“, fragte er den Stallknecht, der anscheinend gerade mit seiner Arbeit fertig geworden war, denn er räumte alles Arbeitsgerät fort. Der zuckte bloß die Schultern: „Such dir eine Ecke, ist genug Platz hier. Wirst aber allein sein, ich schlafe im Haus.“
„Die Pferde sind ja da“, murmelte Lys zufrieden. Es war warm, trocken und friedlich hier im Stall. Die Tiere dösten im schwachen Licht, das von der Herberge aus durch die Fensterluken fiel. Er suchte sich einen Platz fern von der Tür, geschützt von Zugluft und neugierigen Augen für den Fall, dass in der Nacht noch weitere Gäste ankommen würden.
Wo bist du nur, Kirian?
Ohne sein Zutun glitt seine Hand unter den Hosenbund und schloss sich um sein Geschlecht, das sofort steif wurde und
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