Jenseits der Finsternis - Eine Vampir Romanze (German Edition)
Tau, die Erde und die kleinen Steine gespürte hatte. Menschliche Gefühle, etwas, das in den Tiefen der Jahrhunderte versunken war.
Er blieb kurz stehen und blickte auf den Boden. Das Mondlicht war seinen Schatten auf den Perserteppich. Auch das unterschied Damon Adrian von anderen Vampiren. Er warf einen Schatten und hatte auch ein Spiegelbild. Allerdings war beides anders als bei Menschen. Damon trat auf den langen Spiegel zu und sah sich an.
Sein Abbild war trüb, nicht so klar und deutlich wie bei den Lebenden. Immer, wenn er vor einem Spiegel stand, hatte er den Eindruck, der Spiegel sei blind. Als wolle er die Kreatur der Finsternis nicht sehen. Und das stolze Licht war wohl nicht bereit, einen tiefschwarzen Schatten auf den Boden zu legen. Stattdessen genehmigte es dem Untoten nur ein fahles Grau. Den meisten Menschen fiel das nicht auf, aber manchmal begegnete er Leuten mit einem Blick dafür. Sie erkannten seine Andersartigkeit und reagierten darauf mit Entsetzen und schreckgeweitetem Blick. Wenn sie dann noch in seine Augen sahen und darin den Spiegel der letzten Jahrhunderte erkannten, die endlosen Jahre der Abgeschiedenheit von der Welt der Lebenden und das Wissen um die exakten Landkarten ins Reich der Hölle. Diese Menschen erzitterten, senkten ihren Blick, flohen und waren sich dabei nicht bewusst, dass sie ihn damit noch mehr der Einsamkeit preisgaben.
Damon liebte die Stille, aber er hasste die Einsamkeit. Darum hatte er sich gegen ein Dasein in der Abgeschiedenheit entschieden. Die Tore zum Jenseits konnte er überall kontrollieren, aber er bevorzugte die Gesellschaft der Menschen, auch wenn sie nur flüchtig war. Er genoss es, über den Times Square zu gehen oder eine Reise nach Paris, Florenz oder Berlin zu unternehmen. Niemand erkannte ihn, niemand hörte den Klang seiner Schritte, aber wohin er auch ging, spürten die Menschen seine Gegenwart in der Menge. Er konnte es fühlen, wie sie fröstelten, wie sich ihre Gesichter in Sorgenfalten legte. Ihm war aber auch aufgefallen, dass es oft gar nicht an ihm lag.
Heutzutage, mehr als je zuvor, waren die Menschen von Sorgen erfüllt. In den Straßen, den U-Bahnen und Cafés sah er fast nur abwesende Gesichter, manche von Leid und Trauer und Angst so sehr erfüllt, dass er sie fast als seinesgleichen betrachtete.
Die ganze Welt liegt im Schatten , dachte er. Überall sammeln sich die verlorenen Seelen, und die Traurigkeit herrscht über die Menschheit.
Euer Blut ist nicht wärmer als meines.
Er stand neben Lindas Bett, blickte auf sie herab. Sie lag, vom Mondlicht beschienen auf dem Rücken, ihr junger schöner Körper unter einer weißen Decke halb freigelegt und atmete tief und ruhig wie alle Schlafenden, die zumindest ein wenig Frieden fanden. Schon in dem Augenblick, als er Linda zum ersten Mal gesehen hatte war ihm aufgefallen, dass sie sich nicht einmal annähernd ihrer Attraktivität bewusst war. Sie glaubt nicht an sich selbst , dachte er und fragte sich, woran das lag. Sie muss schlechte Erfahrungen gemacht haben. Andere Menschen haben sie gemieden. Aber warum? Er hatte bemerkt, dass einige seiner Partygäste sie im Casino seines Palace abschätzig angesehen hatten. Aber es war noch ein anderer Ausdruck in den Augen der Menschen gewesen. Eine Art Furcht, die er sich nicht erklären konnte.
Er selbst spürte eine große Anziehungskraft. Immerhin hatte sie ihn dazu gebracht, sie hier zu besuchen. Dabei fragte er sich, was sie gerade träumte. Trotz all seiner Macht, war es ihm noch nie gelungen, in die Träume der Menschen vorzudringen. Auch für Vampire gab es Siegel, die nicht zu brechen waren. Als sie ihm in seinem Penthouse gegenüber gestanden war, hatte er ein Gefühl verspürt, dass er schon fast vergessen hatte.
Das Pulsieren seines eigenen Blutes.
Er wusste, dass er sie auf der Stelle hätte verführen können, und sein Verlangen danach war quälend gewesen. Die Begierde, sie zu lieben und sie zu seinem Eigentum zu machen war unstillbar gewesen. Dennoch war er davor zurück geschreckt.
Aber jetzt lag sie vor ihm. Wehrlos und so wunderschön.
Damon Adrian zog die Lippen zurück. Seine oberen Eckzähne drangen hervor. Das Mondlicht schimmerte darauf als wären sie aus Perlmutt. Ihr Hals bot sich ihm dar. Er sah die Ader unter ihrer Haut schlagen. Er hörte ihr Blut, roch es. Es war unwiderstehlich. Er beugte sich über Linda und gab sich dem Lockruf ihres Blutes hin.
Jetzt hole ich dich zu mir , dachte er.
In diesem
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