Jenseits Der Schatten
hat.«
»Aber er ist zurückgekommen. Selbst nachdem ich den Ka’kari gebunden hatte.«
»Weil er dich liebte, Kylar. Er hat sich dafür entschieden, für dich zu sterben, alles aufzugeben, was er noch besaß: sein Schwert, seinen Ka’kari, seine Macht, sein Leben - für dich. Eine größere Liebe gibt es nicht. Ein solcher Tod wurde mit neuem Leben belohnt.«
»Von wem? Von dir?«, fragte Kylar. Der Wolf sagte nichts. »Von dem Ka’kari? Dem Gott?«
»Vielleicht ist es einfach die Art, wie die größte Magie funktioniert: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit miteinander verbunden. Es ist ein Mysterium, Kylar. Ein Mysterium, gleichbedeutend mit der Frage, warum es überhaupt Leben gibt. Wenn du die Frage nach dem Mysterium beantworten willst, indem du einen Gott annimmst, kannst du das tun, oder du kannst sagen, dass es einfach da ist - aber ganz gleich, wie deine Antwort lautet, sei dankbar dafür, denn es ist ein Geschenk. Oder ein überaus glücklicher Zufall.«
Kylar fühlte sich plötzlich sehr klein im Wirken eines Universums, das jede Vorstellungskraft überstieg, gewaltig und doch vielleicht nicht gleichgültig, nicht einmal gegenüber Durzos Leiden. Ein letztes Leben - ein pures Geschenk. Der Ka’kari war noch seltsamer und wunderbarer, als er es sich vorgestellt hatte.
»Ich dachte …« Kylar schüttelte den Kopf. »Ich dachte, es sei einfach erstaunliche Magie.«
Der Wolf lachte, und selbst die Geister im Raum wirkten verblüfft. »Es ist erstaunliche Magie, es ist nur nicht einfach erstaunliche Magie. Die machtvollste Magie ist geknüpft an menschliche Wahrheiten: Schönheit und Leidenschaft, Sehnsucht und Seelenstärke, Mut und Mitgefühl. Diese Dinge sind es, aus denen die Ka’kari ihre Stärke beziehen, ebenso wie aus der Magie, mit der sie getränkt sind.«
»Und die dunkleren Wahrheiten?«, hakte Kylar nach.
»Aus allen menschlichen Wahrheiten. Rachsucht und Hass, das Schwelgen in Zerstörung und Ehrgeiz und Habgier und alle übrigen haben Macht. Wirklich mächtig kannst du aber nur sein, wenn dein Charakter mit der Magie, die du versuchst, übereinstimmt. Meister geben schreckliche Heiler ab. Aus dem gleichen
Grund haben die meisten grünen Magier zu viel Mitgefühl, um Krieg zu führen. Je reicher du als Mensch bist, desto mannigfaltiger sind auch deine Gaben. Deshalb, Kylar, konntest du den Ka’kari zu dir rufen. Du dürstest nach Liebe. Du wolltest nicht nur - wie wir alle - geliebt werden, du wolltest auch die, die du liebtest, mit Liebe überschütten. Du wolltest es mit allen Fasern deines Seins, und du dachtest, es sei dir für alle Zeiten verwehrt.«
So, wie er es sagte, war es Kylar peinlich.
»Es braucht dir nicht peinlich zu sein«, sagte der Wolf. »Was ist menschlicher, als zu lieben und geliebt zu werden? Die Spannung zwischen dem Lieben und dem Gedanken, dass die Liebe dir verwehrt bliebe, diese Spannung hat deine Macht verstärkt.«
»Diese Spannung beherrscht mich immer noch, nicht wahr?«, fragte Kylar. »Denn meine Liebe wird für diejenigen, die ich liebe, immer gefährlich sein.«
»Klug, was? Deine Macht ist an deine Fähigkeit zu lieben gebunden. Der Schöpfer des Ka’kari hat dir ein Geschenk gemacht und es mit etwas versehen, das es für immer machtvoll erhält. Kein übler Trick, muss ich sagen.«
»Übler Trick trifft es genau«, knurrte Kylar. »Was zur Hölle soll ich denn machen?«
»Das ist ein Problem«, erwiderte der Wolf achselzuckend.
Aber Kylar hörte nicht zu. Er konnte spüren, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Oh mein Gott«, sagte er. Das Herz donnerte ihm in den Ohren, war ein Stein in seiner Brust. Er hatte gedacht, er sei gefährlich für jene, die er liebte, weil seine Feinde sie immer bedrohen konnten. Das war es nicht, was der Wolf meinte. Er hatte es Kylar fünf Minuten lang erklärt, und Kylar hatte nicht verstanden. Atemlos fragte Kylar: »Du meinst, wann immer ich gestorben bin, ist jemand, den ich liebe, für mich gestorben?«
»Natürlich. Das ist der Preis der Unsterblichkeit.«
Kylars Kehle war wie zugeschnürt. Er erstickte. »Wer …?«
»Serah Drake starb, als Roth dich getötet hat. Mags Drake starb für Scarred Wrables Pfeil auf dem Pfad. Ulana Drake starb, als der Gottkönig dich tötete.«
Kylars Knie gaben unter ihm nach. Er wollte sich übergeben. Er wollte ohnmächtig werden. Alles, alles, um nicht sein zu müssen. Aber der Moment dehnte sich, und inmitten des Sturms ertappte er sich bei dem Gedanken,
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