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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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extremen Tonlagen des singenden Schwertes zubilligte. Der Mann, der Oshobi spielte, hatte eine ungeheure Ausstrahlung, kraftvoll und männlich, und er war, wenn auch langsamer, stärker als Kaede. Wer immer die beiden waren, diese Tänzer waren unbestechlich und fürchteten nicht einmal einen Mann, der Kaiser sein würde. In ihrem Tanz konnte Solon die Werbung genau ergründen.
    Oshobi hatte Kaede stets mit entschlossener Energie umworben.
Kaede war früh schwach geworden und hatte sich dann jahrelang gewehrt. Aber Oshobi hatte sein Ziel zäh verfolgt. Das wurde - nur für ein geübtes Auge und Ohr erkennbar - mit leichtem Spott vorgetragen, mit der Andeutung, dass es ihm weniger um Kaede gegangen war als um das, was sie in eine Ehe einbrachte. Dass er ihr nicht gerecht geworden war in seinem Drang nach dem Thron.
    Kaede ermüdete langsam, aber die Tänzer stellten es verhalten dar, nicht so, als habe Oshobi sie zur Unterwerfung gezwungen, sondern eher, als passe sie sich seinem Tempo an und lasse ihn noch glanzvoller erscheinen, während er ihr erst gleichkam und sie dann übertraf, aber dabei ihre Melodie übernahm. Als der Tanz sich seinem Ende näherte, beugte Kaede die Knie und breitete die Arme aus, um den zeremoniellen Treffer über dem Herzen zu empfangen. Offensichtlich überhastet trat der Tänzer, der Oshobi darstellte, vor und rutschte aus, so dass sein Schwert für den Bruchteil einer Sekunde ihren Hals streifte, bevor er sich wieder fing und das Schwert auf ihr Herz senkte. Es war so gut gemacht, dass Solon für einen Moment glaubte, der Tänzer sei wirklich ausgerutscht. Alle fassten es so auf oder beschlossen, es so aufzufassen: ein geringfügiger Makel in einer ansonsten tadellosen Darbietung. Die Menge jubelte wild, und sobald der Jubel verebbt war, traten die Verlobten ein.
    Solon sprang das Herz in die Kehle, als er Kaede sah. Sie trug ein purpurfarbenes Cape aus mit Gold durchwirktem Seidenstoff, mit einer langen, in Spitze gefassten Schleppe. Durch ihr langes schwarzes Haar hatte man eine Krone aus Reben mit reifen, purpurnen Trauben geflochten. Da es ihre Hochzeit war, waren ihre beiden Brüste nackt, die Brustwarzen mit Rouge betont, und unter dem Nabel war ihr nackter Bauch mit uralten Fruchtbarkeitsrunen geschmückt. Ein golddurchwirkter Rock
hing ihr tief auf den Hüften und schleifte leicht hinter ihr her, so dass man ihre von Wein befleckten, nackten Füße kaum darunter sehen konnte. Die meisten Frauen zeigten mehr von ihren Knöcheln und sagten, der Saft der Traube sei Kleidung genug für eine Hochzeit. Anscheinend glaubte Kaede wirklich, dass eine Kaiserin zuerst Kaiserin und irgendwann später Frau war. Aber nach anderthalb Jahrzehnten in Midcyru war die Züchtigkeit an Solon verschwendet. Der Anblick von ihr hier, so aufgemacht, erfüllte ihn mit allen möglichen Arten der Sehnsucht. Der Rock hatte weder Knöpfe noch Schließen oder Bänder, noch trug die Braut darunter Unterwäsche. Er wurde am Morgen der Hochzeit fertiggestellt, mit der Frau darin. Später würde der Bräutigam ihn in seiner Leidenschaft herunterreißen. Die Feiernden draußen vor dem Hochzeitsgemach würden laut rufen, bis der Bräutigam das Gewand aus dem Fenster warf. In alten Zeiten - und in manchen ländlichen Gebieten bis auf den heutigen Tag - war der Rock immer weiß und wurde zwar aufgerissen, aber nicht entfernt, bis die Ehe vollzogen war. Dann zeigten die Feiernden den »Beweis« für die Jungfräulichkeit der Frau vor, der in der Hälfte der Fälle Schafsblut war. Die meisten Mütter versorgten ihre Töchter mit einer Phiole davon, für den Fall, dass ihr Jungfernhäutchen auf erlaubte oder verbotene Weise durchbrochen worden war. Es war eine Tradition, bei der Solon froh war, dass sie größtenteils der Vergangenheit angehörte, nicht nur weil er es für widerwärtig hielt, sondern auch weil es ihm schwerfiel, sich vorzustellen, jemand könne den Vollzug seiner Ehe genießen, solange draußen betrunkene, schreiende Arschlöcher gegen die Wände hämmerten.
    Im Innenhof trat Oshobi Takeda vor. Ein Stich des Hasses durchzuckte Solon. Er sollte jetzt vortreten. Er sollte derjenige sein, der heute Nacht Kaedes Rock zerriss. Oshobi Takeda kam ebenfalls barbrüstig in den Kreis; auf die Oberfläche seines Bauches,
der so muskulös und fettfrei war, dass er nicht flach, sondern leicht gewellt wirkte, waren Runen der Kraft und der Potenz gemalt. Auch er trug Reben im Haar und ein schlichtes, grünes Cape,

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