Jenseits Der Schatten
bemerkte Kylar. »Sind mit ›hier‹ die Gästequartiere gemeint oder die ganze Chantry?«
»Ich bin die Sprecherin der Chantry«, sagte Istariel verärgert.
»Dann nennt Ihr Euch wohl Chantreuse?«, fragte Kylar. Was war los mit ihm? Das klang durch und durch nach Durzo, und Vis Augen weiteten sich.
Istariels Lippen wurden schmal. »Wir haben Probleme, junger Mann, die möglicherweise noch größer sind als Euer Ego.«
»Warum treffen wir uns dann hier und nicht in Euren Diensträumen?«, fragte Kylar.
Sie blinzelte. »Was hast du noch gleich gesagt, Ariel, verwegen, aber nicht dumm? Kyle, die Chantry und der ganze Süden treten in eine gefährliche Zeit ein. Wir brauchen Vis Hilfe, wenn wir überleben sollen.«
»Ach ja?«, machte Vi sich bemerkbar.
»Schweig, Kind«, sagte Schwester Ariel.
»All dies hätte viel langsamer geschehen sollen«, erklärte Istariel Vi. »Wir wollten dir eine annähernd normale Unterweisung geben, weil der Dienst, den wir von dir benötigen, ernsthafte Risiken für dich und die Chantry birgt. Die nackten Tatsachen sind, dass du vielleicht -«
Schwester Ariel räusperte sich.
»Du bist die magisch begabteste Frau, die während des letzten Jahrhunderts in die Chantry gekommen ist, Vi. Du wurdest verheiratet, bevor du hier eingetroffen bist, also verstößt deine Ehe nicht gegen das Dritte Alitaerische Abkommen. Das magische Talent einer Frau genügt nicht, um ihr Vorankommen zu garantieren, aber eine magisch hochtalentierte Frau fällt immer auf … Nun, du bist magisch hochbegabt und verheiratet - mit einem Mann, der ebenfalls über große magische Gaben verfügt -, und eure Ehe ist kein Verstoß gegen irgendein Abkommen.«
»Huh«, sagte Vi. »Wie groß sind die Chancen, dass so etwas durch Zufall geschieht?« Sie sah Ariel vielsagend an, die den Anstand hatte zu erröten.
Istariel räusperte sich. »Ja, was das betrifft, Kyle, wir haben nie erwartet, dass Ihr wirklich hierherkommen würdet. Tatsächlich hat Schwester Ariel felsenfest beteuert, dass Ihr nicht kommen würdet.«
»Mir war nicht bewusst, wie empfänglich Ihr für Vis … Zauber sein würdet«, erklärte Ariel unumwunden.
Kylar errötete. »Das ist nicht der Grund, warum ich hier bin.«
»Aber Ihr seid hier«, sagte Istariel. »Also könntet Ihr Vi vernichten - oder zumindest könntet Ihr ihre Nützlichkeit für die Chantry vernichten.«
»Was der Grund ist, warum ich ein wenig reinen Wein eingeschenkt bekomme, oder? Das beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum Ihr herumschleichen müsst, um mich kennenzulernen«, stellte Kylar fest.
Istariels Augen blitzten. »Es hat in der Chantry eine Reihe von Zwischenfällen gegeben, bei denen Vy’sana-Eheringe im Spiel waren. Vor einem Jahrhundert hat jemand eine Sprecherin gegen ihren Willen beringt.«
»Man nennt es Ringvergewaltigung«, erläuterte Ariel.
Istariel richtete einen kalten Blick auf ihre Schwester. »Hör auf zu helfen.« Sie wandte sich wieder Kylar zu. »Es war ein Versuch, die gesamte Chantry mit einem Streich zu zerrütten, und die Urheber des Plans sind dem Erfolg katastrophal nahe gekommen. Das war nur der jüngste Zwischenfall. Es gibt eine gewaltige Antipathie gegen erzwungenes Beringen.«
»Also, wenn ich plaudere, ist Vi erledigt. Warum interessiert Euch das?«, fragte Kylar.
»Es gibt keinen Grund, warum wir Feinde sein sollten«, erwiderte Istariel.
»Mir fällt da durchaus einer ein«, sagte er und zupfte an seinem Ohrring.
Sie wandte den Blick ab. »Es ist Magae seit zweihundert Jahren verboten, Magi zu heiraten, Kyle. Der alitaerische Kaiser Dicola Raiis fürchtete, wir hätten ein Zuchtprogramm eingerichtet, um Erzmagier hervorzubringen, so dass wir wieder die vorherrschende Macht in der Weltpolitik werden konnten, die wir einst waren. Damals standen wir im engen Bündnis mit der blauen Schule der Männer, und der Bündnisvertrag verlangte, dass alle verheirateten Magi sich scheiden ließen. Die Männer wollten in den Krieg ziehen, aber die Entscheidung lag bei der Sprecherin, die selbst mit einem Blauen verheiratet war. Sie wusste, dass sie gegen die Macht Alitaeras keine Chance hatten, und sie unterzeichnete den Vertrag. Die Trennung von den Männern war bitter. Seither sind die Beziehungen angespannt. Um uns zu schützen und vielleicht noch aus vielen anderen Gründen - darunter das Bemühen, die demütigenden Untersuchungen unserer Einhaltung des Abkommens zu beenden -, hat die Chantry das Eheverbot auf alle
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