Jenseits Der Schatten
in Trance, während die Menge ihn vorwärtszog, lachend, jubelnd und durcheinanderrufend. Zuerst überreichte Kaede ihm einen Anhänger mit einem glänzenden Rubin, der von innen erleuchtet wurde und von uralten Zaubern brannte. Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen, hatte noch nie von einem solchen Artefakt gehört, aber bevor er darüber nachdenken konnte, setzte Kaede ihm eine Krone auf die Stirn. Es war die Krone seines Vaters, ein Reif aus sieben goldenen Traubenblättern und sieben goldenen Bällen. »Ein Rubin, wie er für einen Magier taugt, eine Krone, wie sie für Seths loyalsten Sohn taugt, und - wenn Ihr mich wollt - eine stolze und schwierige Frau, die wenig taugt für irgendeinen Mann.«
»Bis auf einen«, sagte Solon und riss sie in die Arme und küsste sie.
72
Vi hatte keine Ahnung, wie Elene es Kylar erklärt hatte, obwohl sie Bescheid gewusst hatte, als durch das Band plötzlich Kylars Ausbruch von Verwirrung, Hoffnung und Sehnsucht geströmt war. Heute Nacht war die Nacht. Sie war die Magie mehrere Male mit Schwester Ariel durchgegangen. Wie Ariel ihr erklärt hatte, durchtrennte Vi das Band nicht, sondern setzte es nur teilweise aus.
Falls es irgendwelche guten Neuigkeiten gab, dachte Vi, dann war es der Umstand, dass Kylar noch Jungfrau war. Dies war ihm peinlich, aber Vi fand es ungewöhnlich und irgendwie liebenswert, was ihm noch peinlicher war. Jetzt jedoch hoffte sie einfach, dass das Liebesspiel zwischen Elene und ihm kurz sein würde. Vi hatte Elene erzählt - und Elene hatte beschlossen, es Kylar nicht zu erzählen -, dass die Aussetzung des Bandes nur in eine Richtung funktionierte: Kylar würde Vi nicht spüren, aber Vi würde noch immer ihn spüren.
Vi hatte ihre Materialien bereitgelegt: eine kratzige Wollrobe, von der sie hoffte, dass sie sie von jedweden körperlichen Gefühlen ablenken würde, die durch das Band strömten, und einen Krug Wein für die Zeit danach, um ihre Gedanken auszulöschen. Schwester Ariel war nicht direkt einverstanden damit, aber sie untersagte es auch nicht. Vi konnte nur hoffen, dass Kylar einer jener Männer war, die nach dem Sex gleich einschliefen, denn
sobald sie die Magie freiließ, würde er sie, Vi, wieder spüren. Wenn Kylar wusste, dass Vi im Wesentlichen sein Liebesspiel mit Elene belauschte, würde ihm das Kopfzerbrechen bereiten. Elene war fest davon überzeugt, dass sie bis zum Frühling sterben würde, und sie verdiente so viel von Kylars Aufmerksamkeit, wie sie bekommen konnte.
Kylar ging die Treppe hinauf. Er und Elene hatten ein romantisches Abendessen in der Küche beendet - natürlich konnten sie nicht ausgehen, wo man sie vielleicht sehen würde -, und Elene führte ihn an der Hand. Vi spürte seine Vorfreude und Ungläubigkeit. Er tastete nach Vi, aber sie machte sich zu einer Steinmauer und begann, Beschwörungen zu singen.
Schwester Ariel zufolge waren die Zaubergewebe selbst nicht allzu anspruchsvoll; schwierig war es, sie mit der erforderlichen Stärke über die erforderliche Zeit hinweg zu benutzen. Außerdem, so hatte Schwester Ariel eingeräumt, war es wahrscheinlich gefühlsmäßig anstrengend. Ariel dachte, dass Vi den Zauber vermutlich zwanzig Minuten lang würde aufrechterhalten können.
Schwester Ariel hingegen hätte der emotionalen Strapaze sicher ewig standhalten können. Die Worte »Miststück von einer Hexe« fanden ihren Weg in Vis Gesang, aber sie hatten nicht mehr die Kraft wie früher. Schließlich war es Schwester Ariel, die all die Nachforschungen angestellt hatte, um dies möglich zu machen. War das ihre Art, sich zu entschuldigen?
Eine magische Schicht um die andere umgab das Band, hüllte es ein wie Nebel, und binnen weniger Augenblicke wusste Vi aus zwei Gründen, dass sie es richtig machte. Erstens, Kylar hielt verwirrt inne, als er sich vorbeugte, um Elene zu küssen, während sie auf der Bettkante saßen. Zweitens, Vi konnte erkennen, dass er sich nicht mehr weiter vorbeugte, während er auf der Bettkante
saß. Was immer Vi tat, um Kylars Seite des Bandes zu dämpfen, es schien ihre eigene Seite zu verstärken.
Panik befiel sie und raubte ihr den Atem, aber Kylar spürte es nicht. Sie konnte erkennen, dass er es nicht spürte. Er staunte über ihre Abwesenheit, dann breitete sich wie ein Feuer Freude in ihm aus. Er zog Elene in die Arme und küsste sie leidenschaftlich.
Es war schwer zu atmen. Vi konnte nur mit erstickter Stimme eine Reihe von Flüchen hervorstoßen, um die Magie wach zu halten.
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