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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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holte sachte Atem. Dann hob sie das Kinn und öffnete die Augen. Die Iris waren reines Platin.
    »Ihr seid der Seraph«, murmelte Kylar. »Oder sollte ich besser sagen: die Seraphin?«
    »Das wäre besser. Und du bist ein Mann, und du hast mich erweckt, aber du bist nicht der eine.«
    »Ähm, wie bitte?«, fragte Kylar. Die Seraphin starrte ihn an, und als er in diese Platinaugen schaute, konnte er nichts anderes sehen als machtvolle Magie. »Werdet Ihr jetzt etwas Schlimmes mit mir anfangen?«
    Die Seraphin lachte. »Sollte ich? Du hast meine kleinen Schwestern übel erschreckt.« Sie schaute zur Tür. »Bis auf die eine, die dein Band hält. Ich werde dich ihrer zarten Gnade überlassen, Namenloser.«
    »Mir gefällt dieses Kleid besser als das, das Eure Statue trägt. Ihr habt großartige Beine.«
    Ihre Augen weiteten sich, aber er sah, dass sie nicht verstimmt war. »Mir geht es genauso«, erwiderte sie, »aber wenn man hundert Meter hoch ist, entscheidet man sich im Zweifel für mehr Züchtigkeit.«
    »Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe.«
    Sie zog eine Augenbraue hoch.
    »Ähm, meine Dame? Hoheit? Entschuldigung, wie soll ich Euch ansprechen?«
    »Impertinenz steht dir besser, Namenloser. Stell deine Frage.«
    »Ich habe ein Schwert verloren. Ich dachte, die Sprecherin hätte
es gestohlen, aber ich habe mich geirrt. Könnt Ihr mir sagen, ob eine der anderen Schwestern es gestohlen hat?«
    Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte ihn eingehend. »Du setzt schnell Freundschaft voraus. Ich kann nicht entscheiden, ob das ein Ausdruck von Jugend oder Naivität oder Güte oder deiner einzigartigen Kräfte ist. Nicht jeder kann eine Seele mit einem einzigen Blick abschätzen, Namenloser.«
    »Ich entschuldige mich für die Anmaßung, hohe Dame.«
    »Gib mir deine Schwerthand.«
    Er streckte die Hand aus, und sie betrachtete die Innenfläche. Er sah Magie darüber hinwegwogen. Er sagte: »Es ist drei Monate her, seit ich -«
    Die Magie erstarb plötzlich. Die Seraphin wandte jäh den Blick von seiner Hand ab und starrte ihn an, und in ihren Platinaugen sah Kylar Furcht. »Du Narr«, flüsterte sie. »Hast du eine Ahnung, was du getan hast?«
    Angesichts der Intensität ihres Tonfalls und ihrer Furcht spürte Kylar, wie sich eine Schlange des Grauens in seinen Eingeweiden wand. Was könnte die Seraphin ängstigen? »Ich habe mein Schwert verloren, Vergeltung. Es war mein Geburtsrecht -«
    »Vergeltung? War das Acaelus’ Versuch, einen Scherz zu machen?«
    Kylar erwiderte nichts. Was hatte er ihr offenbart? Sie hatte ihm erklärt, dass er naiv sei, ihr zu vertrauen. Wie viel wusste sie jetzt? »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht«, erklärte er hölzern. »Es ist ein schlichtes Schwert, in das ein Wort eingeritzt ist, entweder Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit.«
    »Und es ist an dir zu entscheiden, ob das eine oder das andere zur Anwendung kommt.«
    »Hm, ja.«
    »Ich nehme nicht an, dass dich das an etwas erinnert.«

    »Ähm …«
    »Du siehst den Zustand von Seelen. Du übst Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit und gibst den Menschen, was sie verdienen. Wozu macht dich das?«
    Kylar erinnerte sich an die Worte des Wolfs, der über seinen Namen gelacht und ihm erklärt hatte, Kylar Stern sei ein Titel. »Zu einem Richter«, antwortete Kylar leise.
    »Und ein Richter entscheidet über die Anwendung wovon?«, fragte die Seraphin ebenso leise.
    »Die Anwendung des Gesetzes?« Gemeinsam schufen Jorsin Alkestes und Ezra zwei Artefakte: Curoch, das Schwert der Macht, und Iures, den Stab des Gesetzes. »Aber es ist eigentlich …« Er verstummte. Er hatte Curoch jede Gestalt annehmen sehen, die das Schwert tragen musste. Er hatte Vergeltung die Worte Barmherzigkeit oder Gerechtigkeit in verschiedenen Sprachen heraufbeschwören sehen. Warum nicht Iures als ein Schwert verstecken? Wo könnte man Iures besser verstecken als bei Durzo, dessen Ka’kari ihn verbarg? Welche bessere Verwendung gab es für den Ka’kari, als eines der größten Artefakte aller Zeiten zu verbergen? Kylar hätte wissen sollen, dass Durzo Vergeltung nicht einfach nur deshalb zurückgeholt hätte, um Kylar die Unannehmlichkeit zu ersparen, dass seine Schwerter stumpf wurden. Wie viele Male hatte Durzo ihm erklärt, die Klinge sei unbezahlbar?
    »Wisst Ihr, wo das Schwert ist?«, fragte Kylar.
    Die Seraphin, die seine Hand festhielt, schloss die Augen und leuchtete golden auf. Das Licht begann in ihrer Stirn und dehnte sich aus, bis

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