Jenseits Der Schatten
es den Raum erfüllte. Einen Moment lang hätte Kylar schwören können, dass der ganze Seraph - der große - in Flammen stand. Dann öffnete die Frau die Augen.
»Es ist in Trayethell.«
»Trayethell?« Kylar erinnerte sich schwach an den Namen.
Acaelus Thorne war der Prinz von Trayethell gewesen. »Es ist am Schwarzen Hügel.«
Die Seraphin hatte seine Hand nicht losgelassen. »Namenloser, das Zepter … Iures verleiht einem Magier keine zusätzliche Macht, aber es gibt ihm tausendfache Kontrolle über seine Macht. Ein Magier mit Iures in der Hand könnte mit der Zeit alles enträtseln.«
Was also tat Neph? Mit Iures konnte er den Schild um Ezras Wald herum zerbrechen und Curoch an sich nehmen. Was würde er tun, sobald er beide besaß? Was würde er nicht tun? Nicht einmal Jorsin Alkestes hatte beide Artefakte gleichzeitig benutzt.
Es gab keine Wahl. Kylar war der Richter. Wenn Neph immun gegen Magie war, war Kylar der Einzige, der ihn aufhalten konnte. Kylar mochte der Einzige sein, der das volle Ausmaß der Gefahr kannte. Er musste ihn aufhalten. Gott, wie soll ich das Elene beibringen?
Beim Gedanken an Elene spürte Kylar durch das Band, dass Vi zusammenzuckte. In dem Band waren tiefe Schuld, Schuld und Furcht.
Kylar wandte sich von der Seraphin ab, und wieder regte sich Ärger in ihm. Er öffnete die Tür zum Klassenzimmer, stolzierte hinein und schlug die Tür hinter sich zu. Im Raum befanden sich fünfzig Schülerinnen der Oberklasse, eine jede von ihnen umgeben von einem Nimbus aus Magie. Vi stand in der Mitte der Schülerinnen. Sie allein griff nicht nach ihrem magischen Talent. »Was hast du getan?«, fragte Kylar scharf.
»Sie hat mich dazu gezwungen, ihr zu schwören, dass ich es dir nicht verraten würde«, sagte Vi.
»Was zur Hölle hast du -«
»Was ich getan habe?«, rief Vi. »Was hast du getan? Hier einzudringen und meine Schwestern so zu behandeln? Wie kannst
du es wagen!« Kylar öffnete den Mund, aber Vi kam ihm zuvor. »Nein! Setz dich und sei still!«
Die Worte trafen ihn wie eine Peitsche durch das Band ihrer Ohrringe. Der Zwang führte dazu, dass Kylars Mund zuklappte, und er setzte sich sofort hin. Einen Stuhl gab es nicht; er setzte sich auf den Boden.
Vi war genauso verblüfft wie er. Er versuchte, den Mund zu öffnen, schaffte es jedoch nicht. Er konnte sich nicht bewegen. Vi hatte ihm erklärt, dass die Ringe den ihr vom Gottkönig auferlegten Zwang gebrochen hätten, weil ihr Band stärker war als Garoths Magie, aber Kylar hatte bis jetzt nicht wirklich begriffen, was das bedeutete. Das Band der Ohrringe war zwingend - in eine Richtung.
Vi konnte ihn dazu bringen, alles zu tun, was sie wollte, und sie hatte es die ganze Zeit über gewusst, das verriet Kylar ihr Gesichtsausdruck. Sie hatte ihre Macht bisher lediglich nicht heraufbeschworen.
Die Schwestern starrten Vi mit großen Augen an. Einen Moment zuvor hatten sie alle furchtbare Angst vor diesem Mann gehabt, der der Chantry Gewalt angetan und die Fesseln zerbrochen hatten, die ihre mächtigste Schwester ihm auferlegt hatte. Im nächsten Moment hatte Vi ihre Schwestern verteidigt, und er hatte ihrem Befehl gehorcht, als hätte er keine andere Wahl gehabt. Welche weiteren Konsequenzen Kylars Torheit auch haben würde, er hatte gewiss Vis Ansehen bei ihren Schwestern beträchtlich vermehrt.
Ein Aufruhr von Gefühlen flutete durch das Band, aber Vi hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. »Sie hat sich Logans Armee angeschlossen«, sagte sie. »Sie hatte Angst, dass du anderenfalls nicht kämpfen würdest.« Da sie sich darüber im Klaren war, dass die anderen Frauen ihr Gespräch mit ihrem »Ehemann«
mit anhörten, sagte Vi sonst nichts. Sie reichte ihm einen Brief. »Du darfst jetzt aufstehen und sprechen.«
Kylar stand auf und ergriff den Brief, aber er hatte keine Worte.
Die Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Klassenzimmers wurde aufgerissen, und Dutzende von Schwestern strömten herein, angeführt von Schwester Ariel. Beinahe alle, stellte Kylar fest, waren Magae, die mit Vi trainiert hatten.
Eine von ihnen warf einen Speer blitzenden roten und silbernen Lichts. Er flog direkt auf Kylars Brust zu - dann löste er sich mitten in der Luft auf.
Überall im Raum begannen Schwestern niederzuknien, und wieder klappte ihnen der Unterkiefer herunter. Kylar drehte sich um, um festzustellen, wer ihn gerettet hatte. Die Seraphin trat in den Raum, golden leuchtend. »Es tut mir leid, wenn mein Freund Euch
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