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Jenseits Der Schatten

Titel: Jenseits Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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Versuchte Vi einen Putsch? Nein, das ergab keinen Sinn, einen Putsch von einem Mann anführen zu lassen, oder? Selbst Schwestern mit gespaltenen Loyalitäten würden sich automatisch gegen ihn stellen. Also war es etwas ganz anderes. Und das jagte ihr einen furchtbaren Schrecken ein.
    »Vielleicht könnten wir dieses Gespräch später am Nachmittag zu Ende führen«, sagte Istariel.
    »Ich bitte um Verzeihung, Sprecherin, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich etwas Wichtigeres gibt als die Auflösung oder Verteidigung eines dreihundert Jahre alten Bündnisses. Ich muss darauf bestehen, dass wir diese Unterredung zu Ende bringen.«
    Sprecherin Istariel setzte sich wieder, sammelte ihre Magie und schaute zur Tür. Er war fast da.
    Die Tür explodierte nach innen, die Angeln und der Riegel spalteten das Holz, und die Tür krachte zu Boden. Ein junger Mann mit grimmiger Miene trat ein. Istariel entfesselte eine gewaltige Faust aus Luft.
    Die Faust änderte mitten in der Luft die Richtung und krachte gegen Istariels Sammlung von tausend Jahre alten hyrillischen Vasen. Istariel schlug abermals zu und stieß ein Loch in die Decke. Ungerührt und beinahe ohne ihre Versuche, ihn zu töten, wahrzunehmen, stolzierte Kylar auf ihr Pult zu, stützte die Hände auf das Holz und beugte sich vor. Sie nahm ihre ganze Stärke zusammen; er blies ihr ins Gesicht.

    Ihre Magie zersprang, als sei dieser Luftzug ein Hurrikan gewesen. Kylar sagte nichts. Er blickte sie an, und tief in seinen Augen war etwas, das in ihr den Wunsch weckte, zu faseln wie eine Wahnsinnige. Es war, als starre sie in den Nachthimmel, nachdem sie zum ersten Mal gehört hatte, dass die Sterne keine Stecknadeln im Gewand des Himmels waren, sondern ein jeder eine Sonne oder etwas noch Größeres, Milliarden Meilen entfernt. Wer diesem Mann in die Augen schaute, begriff, wie klein er selbst war.
    Kylar seufzte, denn er hatte nicht gefunden, was er wollte.
    Der alitaerische Botschafter, der entweder seinen Mut wiederfand oder sah, dass keine Magie von dem jungen Mann ausging, erhob sich. »Meiner Treu, Ihr junger Lümmel, ich werde Euch nicht erlauben, irgendeine Frau respektlos zu behandeln, während ich daneben stehe! Erklärt Euch!«
    Istariel sah, wie sich tief in Kylars Augen eine fremdartige Magie regte. Dann sagte Kylar: »Wir werden über Respektlosigkeit gegenüber Frauen reden, sobald Ihr aufhört, die beste Freundin Eurer Gemahlin zu ficken.«
    Der Hochmut des Botschafters zersprang in tausend Stücke. Kylar machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum.
    Istariel und der Botschafter schwiegen eine geschlagene Minute lang. Schließlich räusperte sie sich. »Vielleicht«, sagte sie, »sind wir uns einig, dass nichts von dem gerade Geschehenen diesen Raum verlassen sollte.«
    Er schluckte und nickte.

77
    Vi war irgendwo hier oben. Kylars Begegnung mit der Sprecherin hatte ihn erschüttert. Er war davon überzeugt gewesen, dass sie Vergeltung gestohlen hatte. Doch ein Blick in ihre Augen hatte ihn von dieser Idee abgebracht. Jetzt sah das, was ihm zuvor als überraschender Zug erschienen war, der ihn mitten ins Zentrum dieser Verschwörung führen würde, wie ein kolossaler Schnitzer aus. Nichtsdestoweniger stürmte Kylar vorwärts. Er würde jetzt nicht lockerlassen.
    Die Stockwerke so hoch oben in der Chantry waren nicht groß. Im Kopf des Seraphs befanden sich der Dienstraum der Sprecherin, ein Wartezimmer, einige Lagerräume, die Treppe und ein Klassenzimmer. In diesem Klassenzimmer war Vi. Kylar öffnete die Tür zu dem letzten Raum vor dem Klassenzimmer. Er hatte genug Türen eingetreten.
    Dieser Raum befand sich in den Augen des Seraphs. Er war breit und offen, aber trotz des Lichts, das durch die glasklaren Augen hereinfiel, wirkte der Raum spürbar unbenutzt, als hätte seit Jahrzehnten niemand mehr einen Fuß hier hereingesetzt. In der Mitte des Raums stand eine in Licht gebadete Frau. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn zeigte zu Boden, und die Augen waren geschlossen. Sie trug eine kurze, hauchzarte Robe, die an den Knien endete. In der Mitte ihrer Waden veränderte sich ihre Haut; über dieser Linie war sie eine Spur zu golden,
als dass man die Bräune lediglich der Sonne hätte zuschreiben können, doch unterhalb war die Haut von reinstem, weißem Alabaster. Während Kylar benommen vor dieser unerwarteten Schönheit stand, sah er, wie sich der Alabaster in ihre Knöchel zurückzog, in ihre Zehen.
    Die Frau

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