Jenseits Der Schatten
Kriegsführer ihn vielleicht erschlagen. Aber Feir glaubte nicht, dass er das zulassen würde. Also würde er wieder betrügen und sich mit Magie verteidigen. Jeder Sa’ceurai in Midcyru würde ihn verachten. Vielleicht würde einer auf ihn Jagd machen.
Das war Feirs Zukunft. Entweder das, oder er würde für immer als Lantano Garuwashis oberster Illusionist dienen und für den Rest seines Lebens geheuchelte Flammen um sein schönes Schwert weben.
Die Täuschung würde Lantano Garuwashi vernichten. Wenn er herrschte, würde er schlecht herrschen, weil er wusste, dass er seine Ehre verloren hatte. Garuwashi war nicht so jung, dass Ehre das einzig Wichtige in seinem Leben war, aber er war bis in die
Wurzeln seiner Seele Sa’ceurai. Für Garuwashi wäre es das Beste, wenn er eine Klinge in seinen eigenen Eingeweiden begrub.
Die Sonne stand bereits tief am Himmel, als Feir sich duckte und in das Ratszelt trat. Im Zelt saßen König Gyre, Lordgeneral Agon Brant, eine hohlgesichtige Vi Sovari und eine ältere Maja, die Feir nicht kannte. Feir setzte sich auf einen leeren Stuhl. König Gyre saß, die Hände gefaltet, rechts von Feir. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber das allein verriet Feir, dass der König sich Sorgen machte. Dann erregte etwas an Logans rechtem Arm Feirs Aufmerksamkeit. Dort war etwas Magisches, klein und dicht in Logans Armschiene oder Arm eingewoben.
Logan bemerkte seine Aufmerksamkeit und faltete die Hände unterm Tisch auf dem Schoß. Feir tat das Ganze als bedeutungslos ab und blickte weiter in die Runde. Vi Sovari hatte sich mit einem züchtigen Majakleid bedeckt, aber an den Handgelenken und am Hals war immer noch ihre dunkelgraue, hautenge Blutjungenkluft zu sehen. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und ihre Haut war bleich von ihren magischen Anstrengungen am Damm. Sie saß vier Plätze weiter unten am Tisch, beinahe am Ende von Feirs magischer Sicht, aber er konnte erkennen, dass sie ihre Magie nicht überbeansprucht hatte. Nachdem Solon Curoch benutzt hatte, hatte er gebrochen gewirkt. Sein Haar war weiß geworden, und er war dauerhaften Verletzungen nur deshalb entkommen, weil Dorian ein so talentierter Heiler war. Vi hatte sich mit ihren Eskapaden am Damm selbst keinen Schaden zugefügt. Sie war bis an die Grenzen ihrer Gaben gegangen, hatte diese aber nicht überschritten. Feir vermutete, dass sie, wenn sie eine Nacht lang gut geschlafen hatte, morgen bereit sein würde, genauso viel zu tun.
Sie war gewiss die mächtigste Magierin hier. Sie konnte es vielleicht sogar mit Solon aufnehmen. Und als sie sich auf ein Wort
von der alten Maja rechts von ihr höher aufrichtete, kam Vi ihm riesig vor. Wie die Muskeln eines Mannes nach harter Arbeit am beeindruckendsten aussahen, so fühlte sich nun Vis magisches Talent gewaltig an. Feir fühlte sich daneben klein, und es gefiel ihm nicht.
Plötzlich wurde die Zeltlasche geöffnet, und alle Augen wandten sich in diese Richtung, aber der Mann, der eintrat, war nicht Lantano Garuwashi. Es war ein dunkelhaariger, dunkeläugiger Alitaeri mit einem gewachsten Schnurrbart und einem Adlersiegel auf seiner Umhangbrosche. Ein Marcus also, von einer der wichtigsten Familien Alitaeras und gewiss der Anführer der zweitausend alitaerischen Lanzenträger, die am Nachmittag mit den letzten Magae eingetroffen waren.
»Mir war nicht klar, dass dieser Rat sich auch mit dem alitaerischen Militär befasst«, sagte Lordgeneral Agon Brant. Offensichtlich war da böses Blut im Spiel.
»Dieser Rat entscheidet darüber, ob wir zusätzliche zwanzigtausend Sa’ceurai bekommen oder ob wir die sechstausend, die wir haben, verlieren. Ich würde sagen, das macht ihn zu einem Kriegsrat. Ich bin Tiberius Antonius Marcus, Prätor, vierte Armee, zweites Manipel. Wir sollen die Chantry verteidigen. Schwestern, Euer Majestät.« Er nickte ihnen zu.
»Es ist uns eine Ehre, Prätor. Bitte, setzt Euch zu uns«, sagte Logan.
Bevor der Mann Platz nahm, wurde die Zeltlasche abermals geöffnet, und Lantano Garuwashi kam herein. Er legte die Hand auf den Knauf seines Schwertes, ging zu seinem Platz und setzte sich, bevor er irgendjemanden begrüßte.
»Nun, jetzt sind alle hier versammelt, bis auf den ceuranischen Regenten selbst und natürlich den guten lae’knaughtischen Oberlord, der, wie ich vermute, eine halbe Stunde zu spät eintreffen
und verlangen wird, dass wir alles wiederholen«, bemerkte Lordgeneral Brant.
»Ich nehme an, so wird es kommen«, erwiderte Logan.
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