Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
Schritten auf das Schiff zu.
Jacob entriegelte die Tür, die geräuschlos aufglitt. Treppenstufen klappten auf. Sunny stieg diese Stufen hinauf. Und während er ihr die Hand reichte, um ihr zu helfen, ging er in Gedanken noch einmal die Ansprache durch, die er sorgfältig vorbereitet hatte.
»Sunny, ich …« Weiter kam er nicht. Ihre Faust landete hart auf seinem Kinn. Sterne blitzten vor seinen Augen auf, er strauchelte rückwärts und fiel zu Boden.
Sunny stand wie eine wütende Rachegöttin über ihm. »Steh auf, du erbärmlicher Feigling, damit ich dir noch einen rechten Haken verpassen kann.«
Er blieb sitzen, wo er war, und rieb sich das schmerzende Kinn. Der Schlag machte ihm nicht einmal viel aus, er wusste, er hatte ihn verdient und sich darauf eingestellt. Aber ein Feigling genannt zu werden … Nun, unter den gegebenen Umständen war es wohl besser, wenn sie sich erst einmal abreagierte.
»Du bist aufgeregt.«
»Aufgeregt?! Ich werde dir zeigen, wie aufgeregt ich bin!« Und da er keine Anstalten machte aufzustehen, warf sie sich auf ihn.
Mit einem weiteren Fausthieb raubte sie ihm den Atem, und er griff nach ihren Händen. »Verdammt, Sunny, hör auf. Sonst muss ich dir wehtun.«
»Mir wehtun?« Blind vor Wut, schlug sie zu, als er sich auf sie wälzen wollte. Diesmal traf ihr Knie voll ins Ziel. Mit einem »Uff« sackte er auf ihr zusammen. »Runter von mir!«
Er hätte sich nicht bewegen können, selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte. Der Schmerz war unerträglich, und seine einzige Verteidigung war sein Gewicht, mit dem er sie festhalten konnte.
»Sunny …« Er sog hart die Luft in seine Lungen und sah eine neue Sternenkonstellation vor seinen Augen tanzen. »Okay, du hast gewonnen.«
Ihre Wut war verpufft, aber sie wollte nicht, dass er wusste, wie hilflos und schwach sie sich fühlte. Mit zusammengebissenen Zähnen betete sie darum, dass ihre Stimme nicht zitterte. »Ich sagte, runter von mir.«
»Sobald ich mich bewegen kann. Lass mich erst verschnaufen, dann können wir meinetwegen in die zweite Runde gehen.« Es gelang ihm, den Kopf zu heben.
Sie weinte. Große Tränen rollten stumm über ihre Wangen, und dieser Anblick setzte ihm mehr zu als der Schlag. Hilflos schüttelte er den Kopf. »Nicht. Nicht weinen.« Er wischte ihr unbeholfen die Tränen vom Gesicht, doch mehr kamen nach. »Sunny, verdammt, hör auf damit.«
»Fass mich nicht an.« Ihr Körper war wie erstarrt. Wut und Beschämung kämpften in ihr. »Ich will nicht, dass du mich berührst.«
»Das weiß ich. Ich muss es aber.«
»Du hast mich angelogen.«
»Das stimmt.« Er presste seine Lippen auf ihr Haar. »Es tut mir leid.«
»Du hast mich benutzt.«
»Nein.« Seine Arme schlangen sich fester um sie. »Das habe ich nicht. Du weißt, dass das nicht stimmt.«
»Wie sollte ich? Ich kenne dich doch überhaupt nicht!« Sie wollte sich unter ihm wegrollen, doch er hielt sie fest. Abrupt klammerte sie sich an ihn. »Ich hasse dich. Ich werde dich bis an mein Lebensende hassen.«
Jetzt waren es keine stummen Tränen mehr. Sie wurden von einem lauten Schluchzen begleitetet, während Sunny sich an ihn klammerte. Jacob sagte nichts, wusste nichts zu sagen. Die Frau, die ihn mit einem Kinnhaken zu Boden gestreckt hatte, konnte er verstehen. Mit der Frau, die mit Krallen und Klauen gegen ihn anging, konnte er umgehen. Nicht aber mit diesem weinenden, schwachen Geschöpf in seinen Armen. Wehrlos, zart, mit gebrochenem Herzen.
Und dann verliebte er sich auch in diese Sunny.
Sie klammerte sich an ihn und hasste sich dafür. Sie wollte ausholen, ihn dafür bestrafen, dass er ihr Herz gebrochen hatte, und konnte doch nichts anderes tun, als ihn eng umschlungen zu halten und den Trost anzunehmen, den seine Umarmung ihr bot.
Vorsichtig richtete er sich mit ihr in den Armen auf. Er wollte trösten, beschützen, lieben. Er wollte sie streicheln, bis ihre Tränen versiegten, sie halten, bis ihr Körper sich entspannte. Und er wollte ihr klarmachen, dass von allen Dingen, die er je getan hatte, seine Liebe zu ihr das Wichtigste für ihn war.
Er führte sie in seine Kabine, und sie konnte sich nicht wehren, nicht in diesem schwächsten Augenblick, den sie je durchgemacht hatte. Sie konnte ihn nur halten, den Sturm vorüberziehen lassen und Trost in seiner zärtlichen Umarmung finden.
Das Licht in der Kabine war dämmrig, das Bett weich. Bettwäsche und Wände waren in einem zarten Blau gehalten, eine beruhigende Farbe.
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