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Jenseits Der Unschuld

Jenseits Der Unschuld

Titel: Jenseits Der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
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erinnerte.
    Helen schmiegte sich wieder an ihn. »Magst du keine Frauen? Gefalle ich dir nicht?« flüsterte sie.
    Obwohl er acht Monate enthaltsam gelebt hatte, hegte er nicht den Wunsch, sie aufs Bett zu werfen. »Nein. Ich mag keine Frauen. «
    Helen lachte. »Du vielleicht nicht«, schmeichelte sie. »Dein Körper scheint allerdings anderer Meinung zu sein.«
    Edwards Gesicht blieb versteinert.
    Sie sah ihn eindringlich an, dann zog sie sich zurück. »Du bist komisch. Du lächelst nicht, du lachst nie. Du sprichst nicht einmal - wenn du es vermeiden kannst. Ich habe dich beobachtet. Du arbeitest wie ein Besessener, du spielst und trinkst wie ein Besessener. Du benimmst dich, als würdest du alle Menschen hassen. «
    Edward wandte ihr den Rücken zu, warf den Hut auf einen Stuhl und streifte das Hemd ab. Er sprach so leise, dass sie ihn kaum verstand. »Ich hasse nicht alle Menschen. Nur mich selbst.«
    Er starrte blicklos in den blinden Spiegel über der Kommode. Die Dielenbretter knarzten, als sie das Zimmer durchquerte. Er hörte, wie sie an der Tür stehenblieb. Ungerührt öffnete er den Gürtel und knöpfte die Hose auf.
    »Wer ist sie?« fragte Helen. »Wer ist die Frau, die dir das Herz gebrochen hat?«
    Edwards Kiefer mahlten. Dann streifte er die Hose über die schmalen Hüften. Darunter trug er eine Leinenhose, die ihm bis zur Schenkelmitte reichte und ebenso viel entblößte, ,wie sie verbarg.
    »Schade.« Die Tür wurde geöffnet. »Du kannst jederzeit deine Meinung ändern, Edward.«
    Er beugte sich über die Waschschüssel und schwappte sich abgestandenes Wasser ins Gesicht.
    »Du hast Post aus New York. Auf der Kommode.« Sie ging. Die Tür fiel ins Schloss.

    Edward starrte auf Sofies geschwungene Handschrift. Die Buchstaben verschwammen ihm vor den Augen. Seine Hände zitterten. Er zitterte am ganzen Körper.
    Ich dachte, du solltest es wissen.
    Ende Juni erwarte ich ein Kind.
    Ich hoffe, dir keinen Schrecken zu versetzen.
    Gütiger Himmel! Sofie erwartete ein Kind, und obwohl sie es nicht ausdrücklich erwähnt hatte, wusste er, dass es sein Kind war. Edward hatte von Juni an zurückgerechnet. Das Kind war im Spätsommer empfangen worden. Das Kind -sein Kind.
    Ich hoffe, dir keinen Schrecken zu versetzen.
    Schrecken? Das war eine jämmerliche Untertreibung für den Zustand völliger Verblüffung und zornigen Staunens, die ihn lähmten. Grundgütiger! Es war August, August, um Himmels willen! Sofie hatte ein Kind bekommen. Sein Kind.
    Edward hob den wirren Blick in den Spiegel, er sah aus wie ein Wahnsinniger. Und er kam sich vor wie ein Wahnsinniger. Wieso, zum Teufel, hatte sie ihm nicht früher geschrieben? Wieso, zum Teufel, hatte sie es ihm nicht gleich gesagt?
    Edward wusste, was zu tun war. Plötzlich hatte er wieder ein Ziel, eine Bestimmung, ein Schicksal.
    Sein Kind war in Paris. Sein Kind. Er wollte in den nächsten Zug aus Kimberley steigen. Morgen Abend würde er in Kapstadt sein, und mit etwas Glück war er in einem Monat in Paris.
    Und er nahm sich vor, nicht an Sofie zu denken und nicht daran, was er tun würde, wenn er sie wiedersah.
    Paris, Oktober 1902
    In der Wohnung rührte sich nichts. Edward stand vor der verschlossenen Tür, sein Herz schlug hart und schnell.
    Sofie war nicht zu Hause.
    Sie war mit dem Kind unterwegs. Er hatte eine Reise um die halbe Welt gemacht, und es war nicht einfach gewesen, mit heiler Haut dem von Kriegswirren gebeutelten südlichen Afrika zu entkommen. Ungeachtet des im Mai in Vereinigung unterzeichneten Waffenstillstands hatten bewaffnete Buren den Zug aus Kimberley überfallen und ihn zum Entgleisen gebracht, wodurch sich die Weiterreise um zwei Tage verzögerte. Bei dem Überfall waren mehrere Reisende ums Leben gekommen, und Edward entging dem Kugelhagel nur mit knapper Not. Im Hafen von Kapstadt lagen nur Schiffe der britischen Kriegsmarine. Edward hatte ein Vermögen an Schmiergeld bezahlt für eine Kajüte auf einem Kriegsschiff Seiner Majestät, des Königs von England, dessen Bestimmungshafen allerdings Dover war. Alles in allem hatte es sechs Wochen gedauert, keine vier, bis Edward endlich in Paris anlangte.
    Und sie war nicht zu Hause. Edward lehnte sich an die Wand, kramte in seiner Jackentasche nach einer Zigarette, zündete sie an und inhalierte tief den Rauch, um sich zu beruhigen.
    Jetzt erst sah er sich argwöhnisch im Treppenhaus um. Der Fußboden bestand aus ungewachsten, alten Holzdielen, die Stufen waren durchgetreten. Von den

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