Jenseits der Untiefen
beobachtete Harry, wie sie rückwärts aus der Einfahrt fuhren. Und er dachte, er sollte vielleicht für eine Weile nach draußen gehen.
Wenigstens bis Miles nach Hause kam.
M anchmal hing Nebel in der Luft, reglos und feucht, er blieb den ganzen Tag über da, ohne sich zu bewegen, sich zu verändern oder aufzulösen. Die Wärme der Sonne war nicht stark genug. Nur der Wind, der nachmittags vom Meer kam, konnte den Nebel lichten. Verjagen.
Miles ging nach der Arbeit zum Haus des Großvaters. Am Paddock hing ein
Zu verkaufen
-Schild, das an einen Zaunpfahl genagelt war. Das Haus war jetzt fast leer. Nur zerbrochene Stühle und vollgestopfte grüne Müllsäcke waren noch auf der Veranda zurückgeblieben. Ein altes Telefonbuch lag im Vorraum mitten auf dem Boden, eine angeschlagene Tasse stand auf der Küchenbank. Joes Sachen waren verschwunden. Aber es gab Anzeichen dafür, dass sie hier gewesen waren. Jedes einzelne Stück.
Die Holzböden im Flur und in der Nähe der Türen hatten tiefe Rillen, der Kamin war rußgeschwärzt, der Sims war voller brauner Rauchflecken. Harrys Fundstücke und Schätze hingen noch an den Fenstern oder standen auf den Fensterbrettern.
Joe hatte Harry gesagt, dass er sich drei für das Boot aussuchen dürfe und dass der Rest wegmüsse. Aber Harry hatte sich die drei Stücke noch nicht ausgesucht. Er war nur durchs Haus gegangen und hatte sie sich angesehen. Manchmal nahm er eine Muschel oder einen Knochen in die Hand und hielt sie eine Weile. Manchmal sagte er etwas wie »Das habe ich bei Cockle Creek gefunden« oder »Sepiaschale ist cool«. Aber immer legte er das Stück wieder an seinen Platz.
Miles fand die alten eingeritzten Kerben an der Küchentür: die Markierungen, die von allen die jeweiligen Körpergrößen anzeigten. Die Kerben von Mum und Tante Jean. Von Harry und Joe. Miles fuhr mit dem Finger über die letzte seiner Markierungen. Es war kaum zu glauben, dass er jemals so klein gewesen sein sollte. Er war kleiner gewesen, als Harry jetzt war. Er hatte immer gedacht, dass er eines Tages hier leben würde.
Er ging nach draußen und öffnete die Tür zur Werkstatt. Die Werkbänke und die metallene Drehbank waren noch da, sie waren zu schwer, um sie wegzuschaffen. Und in der Ecke war jede Menge gesammeltes Holz aufgeschichtet, kein Feuerholz, sondern gutes Holz, geschmeidiges, öliges Holz. Großvaters Holz.
Großvater hatte wunderschöne Sachen gemacht. Er konnte das Holz zum Leuchten und zum Glänzen bringen, und Miles wollte genauso werden wie er. Er wollte nicht einfach nur ein Tischler sein wie Joe. Er wollte keine Häuser und Küchen oder Bootszubehör bauen. Er würde Möbel herstellen. Gute Möbel. So wie Großvater.
Miles betrat die Werkstatt. Er nahm ein kleines, krummes Stück King-Billy-Konifere vom Stapel und atmete den Duft ein. Selbst nach so langer Zeit roch es noch nach Erde.
Sie standen inmitten der Zerstörung und lächelten angesichts des Überflusses. Myrte, Schwarzholzakazie und King-Billy-Konifere lagen verstreut herum, zurückgelassen, fertig zum Mitnehmen.
Ein frischgeschlagener Schatz.
»Unglaublich, Miles! Dieses ganze Holz, verdammt noch mal, sieh dir das an.«
Miles konnte das Holz riechen, die Nadeln, die Erde. Er sah sich um und wischte seine Hände an der Cordhose ab.
»Was davon sollen wir mitnehmen?«, fragte er, und Großvater grinste.
»So viel wir draufpacken können – so viel, wie wir verdammt noch mal draufpacken können!«
Sie fingen an, den Hänger zu beladen, die großen Stücke zuerst. Und ausnahmsweise konnte Miles sogar dabei helfen und schaffte es, ein paar der schweren Balken allein zu tragen. Einige Stücke waren groß genug, um daraus einen Kaffeetisch oder Nachttische zu machen. Die kleineren Stücke eigneten sich für die Drehbank – Stuhlbeine, Schüsseln, Lampenständer. Miles fand einen großen Klotz King-Billy-Konifere, triefend vor Saft. King Billy mochte er am meisten; der Geruch süß wie Honig und das rosa Fleisch so dicht zusammengepresst, dass es fest war wie Stein. Und es war das beste Holz, das er kannte. Was aus King Billy hergestellt war, hielt ewig, wenn man es fachgerecht bearbeitete. Wenn man mit dem Holz richtig umging.
»Vielleicht finden wir auch Huon-Eibe«, sagte er, und Großvater zwinkerte.
»Als ich ein Kind war, gab’s die überall, weißt du?«
Miles wusste es. Wenn er die Augen schloss, konnte er sie sehen, die Huon-Eiben, die sanft und still an den Flussufern wuchsen. Bäume,
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