Jenseits des Bösen
in der Misión de Santa Catrina, wo er so viele herrliche Stunden mit Raul gesessen, Mozart gehört und den Wolken zugesehen hatte, wie sie sich veränderten, wenn sie vom Meer herein kamen. Veränderung; immerzu Veränderung. Ein Strom von Formen, in denen sie Echos irdischer Dinge fanden: einen Baum, einen Hund, ein menschliches Gesicht. Eines Tages würde er sich zu diesen Wolken gesellen, wenn sein Krieg gegen den Jaff vorüber war. Dann würde die Traurigkeit des Alleinseins, die er jetzt empfand - Raul fort, Howard fort, alles entglitt ihm - nicht mehr sein.
Nur die Starren empfanden Schmerz. Die Wandelhaften lebten in allem, immer. Ein Land, das einen unsterblichen Tag lebte.
Oh, dort zu sein!
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VII
Für William Witt, den Boswell von Palomo Grove, war am Morgen sein schlimmster Alptraum Wirklichkeit geworden. Er war aus seinem attraktiven Bungalow in Stillbrook gekommen, der, wie er seinen Kunden gegenüber immer prahlte, im Wert um dreißigtausend Dollar gestiegen war, seit er ihn vor fünf Jahren gekauft hatte, um in seiner Lieblingsstadt auf Erden einen weiteren Tag seiner Arbeit als Grundstücksmakler nachzugehen. Aber heute morgen war alles anders. Hätte man ihn gefragt, was genau denn anders war, hätte er keine zufriedenstellende Antwort geben können, aber er spürte instinktiv, daß sein heißgeliebter Grove krankte. Er stand fast den ganzen Morgen am Fenster seines Büros, von dem er unmittelbar den Supermarkt überblicken konnte. Fast jeder im Grove kam mindestens einmal wöchentlich in den Supermarkt; für viele hatte er die Doppelfunktion von Markt und
Treffpunkt. William war stolz darauf, daß er die Namen von neunzig Prozent aller Kunden kannte, die dort einkaufen gingen. Er hatte für viele Häuser gefunden; hatte ihnen neue Häuser besorgt, wenn die Familien zu groß für die alten wurden; häufig hatte er auch denen in mittleren Jahren neue Häuser verschafft, wenn die Kinder aus dem Haus gingen; und schließlich hatte er Häuser verkauft, wenn deren Besitzer gestorben waren. Auch er war den meisten bekannt. Sie riefen ihn beim Vornamen, sie machten Bemerkungen über seine Krawatten - die sein Markenzeichen waren; er besaß
hundertundelf -, sie stellten ihn Freunden vor, die auf Besuch kamen.
Als er heute aus dem Fenster sah, machte ihm das Ritual keinen Spaß. Lag es einfach an der Tatsache von Buddy Vance'
Tod und der nachfolgenden Tragödie, die die Leute so
niedergeschlagen machte; warum sie einander nicht grüßten, wenn sie auf dem Parkplatz aneinander vorbeigingen? Oder 270
waren sie, wie er, mit einer seltsamen Ahnung aufgewacht, als stünde ein Ereignis bevor, das sie nicht in ihre Terminkalender geschrieben hatten, bei dem sie aber schmerzlich vermißt werden würden, wenn sie nicht beiwohnten?
Einfach nur dazustehen und zu beobachten, außerstande zu interpretieren, was er sah oder empfand, zwang seine Seele auf die Knie. Er beschloß, eine Runde zu machen, um Objekte zu begutachten. Er mußte drei Häuser ansehen - zwei in Deerdell, eins in Windbluff - und Preise festsetzen. Seine Angst ließ nicht nach, während er nach Deerdell fuhr. Die Sonne, die auf die Gehwege und Rasenflächen hämmerte, hämmerte
schmerzhaft; die Luft droben gleißte, als wollte sie Backstein und Schiefer auflösen; als wollte sie seinen ganzen kostbaren Grove auslöschen.
Die beiden Objekte in Deerdell waren in sehr unterschiedli-chem Zustand; beide erforderten seine ungeteilte Aufmerksamkeit, während er sie studierte und Wert und Unwert auflistete.
Als er mit ihnen fertig war und sich auf den Weg nach Windbluff machte, war er so sehr von seinen Ängsten
abgelenkt, daß er glaubte, er habe vielleicht zu empfindlich reagiert. Er wußte, die Aufgabe, die nun vor ihm lag, würde ihm sichtliche Freude bereiten. Das Haus am Wild Cherry Glade, direkt unterhalb der Crescents, war groß und
erstrebenswert. Er überlegte bereits die Anzeige im Better Homes Bulletin, als er aus dem Auto ausstieg: Werden Sie zum König des Berges! Das perfekte
Familienheim erwartet Sie!
Er suchte den Haustürschlüssel aus den dreien am Bund aus und schloß die Tür auf. Ein Rechtsstreit war dafür verantwortlich, daß das Haus seit Frühjahr leerstand und nicht angeboten werden konnte; die Luft drinnen war staubig und abgestanden.
Der Geruch gefiel ihm. Einsame Häuser hatten für ihn etwas Rührendes an sich. Er sah sie gerne als wartende Heime; weiße Leinwände, auf die die Käufer ihr eigenes,
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