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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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schmerzvoller war als zu glauben, daß er verloren war.

    »Du bist ein Pißkopf und Lügner«, sagte sie, als sie die Tür zugemacht hatte.
    Das Feuer loderte hell. Kaum Rauch. Kissoon saß auf der anderen Seite und sah zu ihr auf; seine Augen waren strahlender, als sie sie in Erinnerung hatte. Sie waren aufgeregt.
    »Du wolltest zurückkommen«, sagte er zu ihr. »Leugne es nicht. Ich habe es in dir gespürt. Du hättest dich widersetzen können, solange du noch draußen im Kosmos warst, aber das wolltest du ja gar nicht. Sag mir, daß ich diesbezüglich lüge.
    Ich fordere dich heraus.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich gebe es zu. Ich bin neugierig.«
    »Gut.«
    »Aber das gibt dir nicht das Recht, mich einfach hierher zu verschleppen.«
    »Wie hätte ich dir sonst den Weg zeigen sollen?« fragte er unbekümmert.
    »Mir den Weg zeigen?« sagte sie und wußte, daß er sie absichtlich in Wut brachte, war aber außerstande, das Gefühl 495
    der Hilflosigkeit aus dem Kopf zu bekommen. Nichts mißfiel ihr mehr, als keine Kontrolle zu haben, und seine Macht über sie machte sie verdammt wütend.
    »Ich bin nicht dumm«, sagte sie. »Und ich bin kein
    Spielzeug, das du einfach holen kannst, wenn es dir paßt.«
    »Ich wollte dich auch nicht als eines von beiden behandeln«, sagte Kissoon. »Bitte, können wir nicht Frieden schließen?
    Schließlich stehen wir doch auf derselben Seite.«
    »Tatsächlich?«
    »Daran darfst du nicht zweifeln.«
    »Nicht?«
    »Nach allem, was ich dir gesagt habe«, sagte Kissoon. »Den Geheimnissen, in die ich dich eingeweiht habe.«
    »Ich habe den Eindruck, es gibt genügend, in die du mich nicht einweihen willst.«
    »Oh?« sagte Kissoon und sah von ihr weg in die Flammen.
    »Zum Beispiel die Stadt.«
    »Was ist damit?«
    »Ich wollte sehen, was in dem Haus ist, aber du hast mich einfach weggezerrt.«
    Kissoon seufzte. »Das will ich nicht leugnen«, sagte er.
    »Wenn ich dich nicht weggezerrt hätte, dann wärst du jetzt nicht hier.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Spürst du die Atmosphäre dort denn nicht? Das kann ich mir nicht vorstellen. Das schiere Grauen.«.
    Jetzt war es an ihr, leise zwischen den Zähnen hindurch auszuatmen.
    »Ja«, sagte sie. »Ich habe etwas gespürt.«

»Die Iad Uroboros haben ihre Agenten überall«, sagte Kissoon. »Ich glaube, einer hat sich in dieser Stadt versteckt. Ich weiß nicht, welche Gestalt er annimmt, und ich will es auch nicht wissen. Aber es wäre fatal, sie sich anzusehen, vermute ich. Wie dem auch sei, ich werde das Risiko nicht eingehen, 496
    und du solltest es auch nicht, einerlei, wie neugierig du bist.«
    Es war schwer, diesem Standpunkt zu widersprechen, deckte er sich doch weitgehend mit ihren eigenen Gefühlen. Erst vor wenigen Minuten hatte sie Raul in ihrer Wohnung gesagt, sie habe gespürt, daß auf dieser verlassenen Hauptstraße etwas passieren würde. Jetzt bestätigte Kissoon ihren Verdacht.
    »Ich schätze, dann muß ich mich wohl bei dir bedanken«, sagte sie widerwillig.
    »Mach dir keine Mühe«, antwortete Kissoon. »Ich habe dich nicht um deinetwillen gerettet, ich habe dich wegen wichtigerer Pflichten gerettet.« Er stocherte einen Augenblick mit einem rußgeschwärzten Stock in der Glut des Feuers. Es loderte auf, die Hütte war heller denn je erleuchtet. »Es tut mir leid«, sagte er, »wenn ich dir bei deinem letzten Besuch angst gemacht habe. Was heißt hier: wenn. Ich weiß, daß ich dir angst gemacht habe, und ich kann mich gar nicht genug
    entschuldigen.« Er sah sie während dieser Entschuldigung, die sich einstudiert anhörte, nicht an. Aber aus dem Mund eines Mannes, der, wie sie vermutete, ein krankhaft übersteigertes Geltungsbedürfnis hatte, war sie eine doppelte Genugtuung.
    »Deine körperliche Anwesenheit hat mich... sagen wir einmal...
    auf eine Weise bewegt, die ich nicht vorhersehen konnte, und du hast meinen Motiven aus gutem Grund mißtraut.« Er griff sich mit einer Hand zwischen die Beine und nahm den Penis zwischen Daumen und Zeigefinger. »Jetzt bin ich keusch«, sagte er. »Wie du selbst sehen kannst.«
    Sie sah ihn. Der Penis war schlaff.
    »Entschuldigung akzeptiert«, sagte sie.
    »Ich hoffe, dann können wir jetzt wieder zum Wesentlichen kommen.«
    »Ich werde dir meinen Körper nicht geben, Kissoon«, sagte sie frei heraus. »Wenn du das mit dem ›Wesentlichen‹ meinst -
    nichts zu machen.«
    Kissoon nickte. »Ich kann dir keinen Vorwurf machen.
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    Manchmal reichen Entschuldigungen eben

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