Jenseits des Bösen
nicht aus. Aber du mußt verstehen, wie wichtig das ist. In diesem Augenblick bereitet sich der Jaff in Palomo Grove darauf vor, die ›Kunst‹
anzuwenden. Ich kann ihn aufhalten. Aber nicht von hier aus.«
»Dann bring es mir bei.«
»Keine Zeit.«
»Ich lerne schnell.«
Kissoon sah sie mit verbissenem Gesicht an.
»Das ist wahrhaftig eine monströse Arroganz«, sagte er. »Du gerätst mitten in eine Tragödie hinein, die sich seit Jahrhunderten auf ihren letzten Akt zubewegt, und glaubst, du kannst einfach mit ein paar Worten ihren Verlauf ändern. Dies ist nicht Hollywood. Es ist die Wirklichkeit.«
Seine kalte Wut schüchterte sie ein, aber nicht sehr.
»Also gut, manchmal werde ich eben übermütig. Erschieß mich doch dafür. Ich habe gesagt, ich werde dir helfen, aber auf diese Scheiße von wegen Körpertausch lasse ich mich nicht ein.«
»Vielleicht...«
»Was?«
»... kannst du dann ja jemanden finden, der bereit ist, sich mir zu fügen?«
»Das dürfte schwierig sein. Was soll ich ihnen denn sagen?«
»Du bist sehr überzeugend«, sagte er.
Sie dachte an die Welt, die sie hinter sich gelassen hatte. Das Mietshaus hatte einundzwanzig Bewohner. Konnte sie Ron oder Edgar oder einen ihrer Freunde, vielleicht Mickey de Falco, dazu bringen, mit ihr in die Schleife zu kommen? Sie bezweifelte es. Erst als sie an Raul dachte, sah sie einen Hoffnungsschimmer. Würde er wagen, was sie nicht wagte?
»Vielleicht kann ich dir helfen«, sagte sie.
»Schnell?«
»Ja. Schnell. Wenn du mich in meine Wohnung bringen
kannst.«
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»Kein Problem.«
»Aber denk daran, ich verspreche nichts.«
»Ich verstehe.«
»Und ich will etwas als Gegenleistung von dir.«
»Das wäre?«
»Die Frau, mit der ich sprechen wollte; die du als deine Sex-Hilfe bezeichnet hast.«
»Ich habe mich schon gefragt, wann du auf sie zu sprechen kommen würdest.«
»Sie ist verletzt.«
»Glaub das nicht.«
»Ich habe es selbst gesehen.«
»Das ist ein Trick der Iad!« sagte Kissoon. »Sie wandert jetzt schon eine ganze Weile hier herum und will mich dazu bringen, daß ich ihr die Tür aufmache. Manchmal tut sie so, als wäre sie verletzt, manchmal schnurrt sie nur wie ein Sex-Kätzchen. Reibt sich an der Tür.« Er erschauerte. »Ich höre sie, wie sie sich an der Tür reibt und mich anfleht, sie
hereinzulassen. Auch das ist nur ein Trick.«
Wie bei allen Erklärungen von Kissoon wußte Tesla auch jetzt nicht, ob sie sie glauben sollte oder nicht. Beim letzten Besuch hatte er ihr gesagt, daß die Frau höchstwahrscheinlich eine Traumgestalt war. Jetzt sagte er, sie wäre eine Agentin der Iad. Eins, aber nicht beides.
»Ich will selbst mit ihr sprechen, sagte sie. »Mir selbst eine Meinung bilden. So gefährlich sieht sie nicht aus.«
»Das weißt du nicht«, warnte Kissoon. »Der Schein trügt.
Ich halte sie mit Hilfe der Lix fern, weil ich Angst davor habe, wozu sie fähig ist.«
Sie überlegte sich, ob sie ihn fragen sollte, was er von einer Frau zu befürchten hatte, die so offensichtlich Schmerzen hatte, entschied dann aber, daß das eine Frage für eine nicht ganz so verzweifelte Stunde war.
»Dann gehe ich jetzt zurück«, sagte sie.
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»Du weißt, daß es dringend ist.«
»Das mußt du mir nicht sagen«, antwortete Tesla. »Ja, ich weiß es. Aber wie schon gesagt, du verlangst ziemlich viel.
Weißt du, die Leute hängen an ihren Körpern. War nur ein Witz.«
»Wenn alles gutgeht und ich verhindern kann, daß die
›Kunst‹ benützt wird, dann bekommt der Spender ihn
unversehrt zurück. Wenn es mir nicht gelingt, ist es sowieso das Ende der Welt, was soll es also schon ausmachen?«
»Bleib sauber«, sagte Tesla.
»Ich werde es versuchen.«
Sie drehte sich zur Tür um.
»Beeil dich«, sagte er. »Und laß dich nicht ablenken...«
Die Tür ging auf, ohne daß sie sie berührt hatte.
»Du bist immer noch ein überheblicher Wichser, Kissoon...«, waren Teslas Abschiedsworte. Dann trat sie in den unveränderten Frühmorgen-Sonnenschein hinaus.
Links von der Hütte schien sich ein Wolkenschatten über den Wüstensand zu bewegen. Sie studierte ihn einen
Augenblick und stellte fest, daß der sonnenverbrannte Boden von Lix übersät war, ein kleiner See. Als sie ihre Anwesenheit spürten, hörten sie auf, sich zu bewegen, und sahen zu ihr herüber. Hatte Kissoon nicht gesagt, daß er diese Geschöpfe gemacht hatte?
»Geh schon, ja?« hörte sie ihn sagen. »Wir haben nicht viel Zeit.«
Hätte sie
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