Jenseits des Bösen
Gesichtszüge bis zur Unkenntlichkeit zerdrückt.
Plötzlich bemerkte sie Raul wieder, der immer noch an ihrer Schulter zitterte.
»Wir können nichts mehr tun«, sagte sie. »Du solltest dich waschen gehen.«
Er nickte grimmig und ging weiter. Die Lix waren am Ende, ihre Bewegungen träge. Offenbar hatte Kissoon Besseres mit seiner Energie zu tun, als seine Agenten zu weiteren Teufeleien anzuhalten. Sie machte die Tür zu, weil der Anblick ihr unsagbare Übelkeit verursachte, dann sah sie unter den Möbeln nach, ob sich nicht noch andere versteckt hatten. Die Bestie, die sie am Boden festgenagelt hatte, war endgültig tot, zumindest aber reglos. Sie ging daran vorbei und suchte nach 524
einer anderen Waffe, bevor sie den Rest der Wohnung
durchsuchte.
Im Bad ließ Raul das blutige Wasser im Waschbecken
ablaufen und betrachtete die Verletzung, die die Lix ihm zugefügt hatte.
Eine Fleischwunde. Aber etwas von dem Gift war in seinen Körper eingedrungen, wie Tesla befürchtet hatte. Er schien von Kopf bis Fuß zu zittern, und der Arm, der vom Nuncio berührt worden war, pulsierte, als hätte er ihn gerade in kochendes Wasser getaucht. Er sah nach unten. Der Arm vor ihm war substanzlos, das Waschbecken dahinter war solider als Fleisch und Knochen zu erkennen. Er sah voller Panik sein Spiegelbild an. Auch dieses wurde verschwommen, die Wände des Bades lösten sich auf, dahinter kam ein anderes Bild - schroff und grell - zum Vorschein und verlangte, gesehen zu werden.
Er machte den Mund auf, um nach Tesla zu rufen, aber
bevor er das konnte, verschwand sein Ebenbild im Spiegel vollkommen; ebenso - einen Augenblick völliger
Desorientierung später - der Spiegel selbst. Um ihn herum wurde die Helligkeit blendend grell, etwas packte ihn am Nuncio-Arm. Er erinnerte sich, wie Tesla ihm Kissoons Griff in ihre Eingeweide beschrieben hatte. Jetzt ergriff derselbe Geist seine Hand und zog.
Als die letzte Spur von Teslas Wohnung einem endlosen, sengenden Horizont wich, griff er mit dem unbeeinflußten Arm in die Richtung, wo das Waschbecken gewesen war. Er schien etwas in der Welt zu berühren, die er hinter sich gelassen hatte, war aber nicht sicher.
Dann war alle Hoffnung dahin, und er befand sich in
Kissoons Schleife.
Tesla hörte, wie im Bad etwas auf den Boden fiel.
»Raul?« sagte sie.
Keine Antwort.
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»Raul? Alles in Ordnung?«
Da sie das Schlimmste befürchtete, ging sie sofort mit gezücktem Messer hin. Die Tür war zu, aber nicht
abgeschlossen.
»Bist du da?« sagte sie. Als sie auch beim dritten Mal keine Antwort bekam, machte sie die Tür auf. Ein blutiges Handtuch war auf den Boden gefallen oder geworfen worden und hatte ein paar Toilettenartikel mitgerissen - das war das Geräusch, das sie gehört hatte. Aber Raul war nicht da.
»Scheiße!«
Sie drehte den Hahn zu, der immer noch spritzte, machte kehrt, rief seinen Namen noch einmal und ging dann durch die Wohnung, wobei ihr mit jedem Schritt davor graute, er könnte demselben Schrecken zum Opfer gefallen sein wie Mary. Aber er war nirgends zu sehen; und auch keine weiteren Lix.
Schließlich wappnete sie sich für den Anblick auf den Laken und machte die Schlafzimmertür auf. Auch dort war er nicht.
Als sie unter der Tür stand, fiel Tesla wieder sein entsetzter Gesichtsausdruck ein, als er Marys Leichnam gesehen hatte.
War das einfach zuviel für ihn gewesen? Sie sperrte den Anblick des Leichnams auf dem Bett wieder aus und ging zur Eingangstür. Sie war angelehnt, wie sie sie gelassen hatte, als sie eingetreten waren. Sie ließ sie so und ging die Treppe hinunter und an der Seite des Hauses entlang, wobei sie seinen Namen rief und die Gewißheit in ihr wuchs, daß er diesen Wahnsinn einfach nicht mehr ertragen hatte und auf die Straße von West Hollywood geflohen war. Wenn ja, dann tauschte er einen Wahnsinn gegen einen anderen, aber das war seine Entscheidung, und sie konnte nicht für die Folgen verantwortlich gemacht werden.
Als sie zur Straße kam, war er nirgends zu sehen. Auf der Veranda des Hauses gegenüber saßen zwei junge Männer und genossen das letzte Sonnenlicht des Nachmittags. Sie kannte keinen der beiden, ging aber trotzdem hinüber und sagte: »Habt 526
ihr einen Mann gesehen?« Worauf beide die Brauen hochzogen und lächelten.
»In letzter Zeit?« sagte einer von ihnen.
»Gerade eben. Er müßte aus dem Haus nebenan gelaufen
sein.«
»Wir sind gerade eben rausgekommen«, sagte der andere.
»Sorry.«
»Was
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