Jenseits des Bösen
hat er gemacht?« sagte der erste und betrachtete das Messer in Teslas Hand. »Zuviel oder nicht genug?«
»Nicht genug«, sagte Tesla.
»Vergiß ihn«, lautete die Antwort. »Es gibt noch andere.«
»Nicht wie ihn«, antwortete sie. »Glaubt mir. Nicht wie ihn.
Trotzdem danke.«
»Wie hat er ausgesehen?« wurde gefragt, als sie bereits wieder die Straße überqueren wolte.
Ein kleiner, rachsüchtiger Teil in Tesla, auf den sie nicht besonders stolz war, der aber immer wieder zum Vorschein kam, wenn ihr jemand so einen Streich spielte, antwortete: »Wie ein verdammter Affe«, mit einer Stimme, die man bis Santa Monica und Melrose gehört haben mußte. »Er hat ausgesehen wie ein verdammter Affe.«
Also, Tesla-Baby, was nun?
Sie schenkte sich einen Tequila ein, setzte sich und machte sich ein Bild von der Lage. Raul war fort; Kissoon mit den Iad im Bunde; Mary Muralles tot im Schlafzimmer. Alles nicht sehr tröstlich. Sie schenkte sich einen zweiten Tequila ein und mußte daran denken, daß Trunkenheit, wie Schlaf, sie näher zu Kissoon bringen konnte, als ihr lieb war, brauchte das Brennen in Hals und Magen aber trotzdem.
Es war sinnlos, hier in der Wohnung zu bleiben. In Palomo Grove war der Teufel los.
Sie rief Grillo an. Er war nicht im Hotel. Sie bat die Telefonistin des Hotels, sie mit der Rezeption zu verbinden, 527
und erkundigte sich, ob jemand wußte, wo er war. Niemand wußte es. Man sagte ihr, daß er am frühen Nachmittag
ausgegangen war. Jetzt war es fünfundzwanzig Minuten nach vier. Sie schätzte, daß er schon mindestens eine Stunde weg war. Zur Party auf dem Hügel, schätzte sie.
Da sie im North Huntley Drive nichts anderes tun konnte, als um den Verlust sämtlicher Verbündeter zu trauern, war es das Beste, wenn sie versuchte, Grillo zu finden, bevor ihr die Um-stände ihn auch noch nehmen konnten.
528
VIII
Grillo hatt keine angemessene Kleidung für die Party oben in Coney Eye mitgebracht, aber schließlich war dies Kalifornien, wo Jeans und Turnschuhe formelle Kleidung waren, und daher dachte er, daß er in Freizeitkleidung nicht auffallen würde. Das war der erste von zahlreichen Irrtümern dieses Nachmittags.
Sogar die Torwachen trugen Fräcke und schwarze Krawatten.
Aber er hatte die Einladung, auf die er einen falschen Namen geschrieben hatte - Jon Swift -, und daher wurden keine Fragen gestellt. Er schlich sich nicht zum ersten Mal unter falschem Namen in eine Versammlung ein. Damals, in seiner Zeit als ermittelnder Reporter - im Gegensatz zu seiner momentanen Rolle als Schlammwühler -, hatte er einmal als entfernter Verwandter von Goebbels ein Treffen von Neo-Nazis in
Detroit besucht. Ein andermal hatte er mehrere Sprechstunden bei einem aus der Kirche ausgeschlossenen Priester, dessen Scharlatanerei er später in einer Artikelserie entlarvte, die ihm eine Nominierung für den Pulitzer-Preis einbrachte. Am denkwürdigsten war eine Versammlung von Sado-Masochisten, aber der Artikel darüber war von einem Senator unterdrückt worden, den er eben dort in Ketten gelegt und Hundefutter essend gesehen hatte. Bei diesen verschiedenen Anlässen war er sich wie ein rechtschaffener Mann in ge-fährlicher Gesellschaft vorgekommen, der auf der Suche nach der Wahrheit war: ein Philip Marlowe mit Federhalter. Hier war ihm nur übel. Ein Bettler, den der Überfluß krank machte.
Nach Ellens Schilderung war er darauf vorbereitet gewesen, berühmte Gesichter zu sehen; er hatte nicht mit der seltsamen Autorität gerechnet, die sie über ihn hatten und die in keinem Verhältnis zu ihren Fähigkeiten stand. Unter dem Dach von Buddy Vance hatten sich Dutzende der bekanntesten Gesichter der Welt versammelt; Legenden, Idole, Trendsetter. Um sie herum Gesichter, denen er keine Namen zuordnen konnte, die 529
er aber von den Titelseiten von Variety und Hollywood Reporter kannte. Die Potentaten der Industrie - Agenten, Anwälte und Studiomanager. Bei ihren gelegentlichen
Ausfälligkeiten gegen das Neue Hollywood hatte Tesla für sie nur gallige Abscheu übrig, für diese Absolventen von
Wirtschaftsfachhochschulen, welche die alten Studiobosse wie Warner, Selznick und Goldwyn verdrängt hatten und mit ihren Meinungsumfragen und Kalkulationen die Traumfabrik
beherrschten. Das waren die Männer und Frauen, die die Götter des nächsten Jahres erkoren und dafür sorgten, daß ihre Namen rund um die Welt in aller Mund waren. Natürlich klappte das nicht immer. Das Publikum war schwierig,
Weitere Kostenlose Bücher