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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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sich die Atmosphäre der Versammlung subtil verändert hatte.
    Nachdem Drinks hinuntergekippt und das Büffet geplündert worden waren, befanden sich die Gäste in ruhigerer Stimmung, wozu auch eine Kapelle beitrug, die langsame Versionen von Evergreens darbot. Ein paar Leute tanzten. Die Unterhaltungen wurden nicht mehr lärmend geführt, sondern gedämpft. Geschäfte wurden abgeschlossen, Verschwörungen geplant.
    Grillo fand die Atmosphäre nervtötend, und Evelyn offenbar auch. Sie nahm beim Spießrutenlauf durch die Flüsternden seinen Arm und folgte Lamar auf der anderen Seite hinaus zur Treppe. Die Eingangstür war geschlossen. Zwei Männer von der Torwache standen mit dem Rücken zu ihr und hatten die Fäuste vor den Lenden geballt. Trotz der hallenden
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    Unterhaltungsmelodien hatte das Haus alles Festliche verloren.
    Übrig blieb nur Paranoia.
    Lamar hatte bereits ein Dutzend Stufen zurückgelegt.
    »Komm schon, Evelyn...«, sagte er und winkte ihr. »Ist nicht steil.«
    »Es liegt an meinem Alter.«
    »Du siehst keinen Tag älter aus als...«
    »Hör auf, Süßholz zu raspeln«, sagte sie. »Ich komme, wenn es mir paßt.«
    Sie ging mit Grillo an der Seite langsam die Treppe hinauf, und nun merkte man ihr zum ersten Mal ihr Alter an. Grillo sah, daß ein paar Gäste mit leeren Gläsern in den Händen oben an der Treppe standen. Keiner sagte etwas, nicht einmal flüsternd. Der Verdacht erhärtete sich, daß hier etwas durch und durch faul war; ein Instinkt, der bestätigt wurde, als er die Treppe hinuntersah. Rochelle stand unten und sah herauf. Sie sah ihn unverwandt an. Er war sicher, daß er erkannt worden war, und rechnete damit, daß sein Bluff aufflog. Aber sie sagte nichts. Sie sah ihn an, bis er wegsah. Als er wieder die Treppe hinunterschaute, war sie weggegangen.
    »Hier stimmt was nicht«, flüsterte er Eve ins Ohr. »Ich glaube, wir sollten uns nicht auf die Führung einlassen.«
    »Liebling, ich bin halb oben«, antwortete sie laut und zupfte an seinem Arm. »Laß mich jetzt nicht im Stich.«
    Grillo sah nach oben zu Lamar und stellte fest, daß ihn der Komiker ebenso anstarrte wie Rochelle. Sie wissen es, dachte er. Sie wissen es, und sie sagen nichts.
    Er versuchte wieder, Eve davon abzubringen. »Können wir nicht später gehen?« sagte er.
    Sie wollte sich nicht aufhalten lassen. »Ich gehe auch alleine«, sagte sie und erklomm weiter die Stufen.
    »Das ist der erste Absatz«, verkündete Lamar, als sie dort angekommen waren. Abgesehen von den seltsam stillen Gästen gab es nicht viel zu sehen, zumal Eve ihr Mißfallen gegenüber 536
    Vance' Kunstsammlung bereits zum Ausdruck gebracht hatte.
    Sie kannte ein paar der Herumlungernden persönlich und sagte hallo. Sie grüßten ebenfalls, aber nur abwesend. Ihr Verhalten erinnerte Grillo an Süchtige, die sich gerade einen Schuß gesetzt hatten. Aber Eve gehörte nicht zu denen, die sich so beiläufig behandeln ließen.
    »Sagansky«, sagte sie zu einem aus ihrer Mitte. Er sah aus wie ein abgehalftertes Matinee-Idol. Neben ihm stand eine Frau, der jede Spur von Leben ausgesaugt worden zu sein schien. »Was treiben Sie denn hier oben?«
    Sagansky sah zu ihr auf. »Pssst...«, sagte er.
    »Ist jemand gestorben?« fragte Eve. »Außer Buddy.«
    »Traurig«, sagte Sagansky.
    »Geht uns allen so«, lautete Eves nüchterne Antwort. »Ihnen auch. Warten Sie's nur ab. Haben Sie auch die große Führung durchs Haus verpaßt bekommen?«
    Sagansky nickte. »Lamar...«, sagte er. Er blickte in die Richtung des Komikers, schoß über das Ziel hinaus, drehte den Kopf und sah ihn direkt an. »Lamar hat uns herumgeführt.«
    »Hoffentlich lohnt es sich«, sagte Eve.
    »Unbedingt«, lautete Saganskys Antwort. »Wirklich... es lohnt sich. Besonders die oberen Zimmer.«
    »Ah ja«, sagte Lamar. »Warum gehen wir eigentlich nicht gleich dorthin?«
    Grillos Paranoia war nach der Begegnung mit Sagansky und dessen Frau kein Jota geringer geworden. Hier ging etwas zutiefst Unheimliches vor sich.
    »Ich glaube, wir haben genug gesehen«, sagte Grillo zu Lamar.
    »Oh, tut mir leid«, antwortete der Komiker. »Ich habe Eve ganz vergessen. Arme Eve. Das muß alles zuviel für dich sein.«
    Seine gekonnt zur Schau gestellte Herablassung hatte genau den gewünschten Effekt.
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    »Mach dich nicht lächerlich«, schnaubte sie. »Ich komme vielleicht in die Jahre, aber ich bin nicht senil. Bring uns hinauf!«
    Lamar zuckte die Achseln. »Bist du

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