Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
nicht mehr erkennen als anfangs, als sie hereingekommen waren, aber er sah die Gestalt aufstehen. Die Bewegung löste Konsterniertheit in den Schatten aus, als die dort verborgenen Bestien auf das Unbehagen ihres Meisters reagierten.
    »Wie kannst du es wagen?« sagte der Jaff.
    »Du hast gesagt, wir wären in Sicherheit«, sagte Lamar.
    Grillo hörte hinter sich die Tür quietschen. Er wollte sich umdrehen, widerstand der Versuchung aber.
    »In Sicherheit, hast du gesagt!«
    »So einfach ist das nicht!« sagte der Jaff.
    »Ich verschwinde!« antwortete Lamar und drehte sich zur Tür um. Es war so dunkel, daß Grillo seinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, aber ein Lichtstrahl hinter ihm, und die Laute von Eves Schritten, die den Flur entlang floh, waren Beweis genug. Grillo stand auf, während Lamar fluchend zur Tür eilte. Ihm war schwindlig von dem Schlag, und er stolperte beim Gehen, dennoch war er einen Schritt vor Lamar an der Tür. Sie stießen zusammen, rempelten beide gegen die Tür und schlugen sie mit ihrem gemeinsamen Gewicht wieder zu. Es folgte ein Augenblick der Verwirrung, beinahe eine Farce, während sie beide versuchten, den Türgriff in die Hand zu bekommen. Dann griff etwas ein, das hinter dem Komiker aufragte. Es war bleich in der Dunkelheit, grau vor schwarzem Hintergrund. Lamar gab einen leisen Kehllaut von sich, als die 548
    Kreatur ihn von hinten packte. Er streckte die Hand nach Grillo aus, der ihm zwischen den Fingern durchschlüpfte und in Richtung Zimmermitte auswich. Er konnte nicht erkennen, wie das Terata Lamar zusetzte, und darüber war er froh. Die rudernden Arme und kehligen Laute des Mannes genügten vollkommen. Er sah, wie der massige Leib des Komikers gegen die Tür fiel und daran hinabrutschte; sein Körper wurde immer mehr von dem des Terata verdeckt. Dann waren beide still.
    »Tot?« hauchte Grillo.
    »Ja«, sagte der Jaff. »Er hat mich einen Lügner genannt.«
    »Das werde ich mir merken.«
    »Sollten Sie auch.«
    Der Jaff machte eine Gebärde in der Dunkelheit, deren Sinn Grillo nicht erkennen konnte. Aber sie hatte Folgen, die eine Menge deutlich machten. Perlen aus Licht strömten aus den Fingern des Mannes und beleuchteten sein Gesicht, das verbraucht aussah, seinen Körper, der gekleidet war wie im Einkaufszentrum, aber Dunkelheit zu verströmen schien, und das Zimmer selbst, in dem Terata, welche nicht mehr die komplexen Bestien von einst waren, sondern dornige Schatten an jeder Wand.
    »Nun, Grillo...« sagte der Jaff, »... sieht so aus, als müßte ich es tun.«
    549
    IX

    Nach dem Liebesakt kam der Schlaf. Sie hatten es beide nicht so geplant, aber weder Jo-Beth noch Howie hatten, seit sie einander kennengelernt hatten, mehr als eine Handvoll Stunden ununterbrochen schlafen können, und der Boden, auf dem sie sich geliebt hatten, war so weich, daß er sie in Versuchung führte. Sie wachten auch dann nicht auf, als die Sonne hinter die Bäume sank. Als Jo-Beth schließlich die Augen aufschlug, geschah es nicht wegen der Kälte: die Nacht war mild. Zikaden sangen im Gras rings um sie herum. Die Blätter waren in sanfter Bewegung. Aber hinter diesen beruhigenden Anblicken lag ein seltsames, unstetes Leuchten zwischen den Bäumen.
    Sie weckte Howie so behutsam wie möglich aus dem Schlaf.
    Er machte widerwillig die Augen auf, bis er das Gesicht derjenigen erkennen konnte, die ihn geweckt hatte.
    »Hi«, sagte er. Dann: »Wir haben verschlafen, hm? Wieviel Uhr ist...«
    »Es ist jemand hier, Howie«, flüsterte sie.
    »Wo?«
    »Ich sehe nur Lichter. Aber sie sind rings um uns herum.
    Sieh doch!«
    »Meine Brille«, flüsterte er. »Sie ist im Hemd.«
    »Ich hole sie.«
    Sie machte sich auf die Suche nach den Kleidungsstücken, die er ausgezogen hatte. Er sah sich blinzelnd um. Die Absperrungen der Polizei und die Höhle dahinter: der
    Abgrund, in dem Buddy Vance immer noch lag. Bei Tageslicht schien es völlig natürlich gewesen zu sein, hier miteinander zu schlafen. Jetzt wirkte es pervers. Irgendwo da unten in der Dunkelheit, in der ihre Väter jahrelang gewartet hatten, lag ein toter Mann.
    »Hier«, sagte sie.
    Ihre Stimme erschreckte ihn. »Schon gut«, murmelte sie. Er 550
    nahm die Brille aus der Hemdentasche und setzte sie auf. Zwischen den Bäumen waren tatsächlich Lichter zu sehen, aber ihr Ursprung war unbestimmt.
    Jo-Beth hatte glücklicherweise nicht nur sein Hemd, sondern auch ihre restlichen Kleidungsstücke gefunden. Sie zog die Unterwäsche an.

Weitere Kostenlose Bücher