Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
Faust.

    Unten am Tor sah Clark die Lichter im Haus angehen und atmete erleichtert auf. Das konnte nur das Ende der Party bedeuten. Er setzte einen allgemeinen Rundruf an die kreisenden 580
    Fahrer ab - an die, die keine Angst bekommen hatten und geflohen waren - und wies sie an, zum Hügel
    heraufzukommen. Bald würden ihre Passagiere
    herauskommen.

    Als sie an der Ausfahrt Palomo Grove, von der noch vier Meilen zu fahren waren, den Freeway verließ, lief ein Schauer durch Tesla. Ihre Mutter hatte immer gesagt, das würde bedeuten, daß jemand über ihr Grab schritt. Heute nacht wußte sie es besser. Die Nachrichten waren noch schlechter.
    Ich versäume das Hauptereignis, wurde ihr klar. Es hat ohne mich angefangen. Sie spürte, wie sich um sie herum etwas veränderte, etwas Unermeßliches, als hätten die Anhänger der Theorie, daß die Erde flach war, die ganze Zeit recht gehabt und die Erde wäre gerade ein paar Grad gekippt, so daß alles einem Ende entgegenrutschte. Sie schmeichelte sich keinen Augenblick damit, daß sie die einzige war, die das spüren konnte. Sie verfügte vielleicht über eine Perspektive, die es ihr ermöglichte, das Gefühl zuzuordnen; aber sie zweifelte nicht daran, daß in diesem Augenblick überall im Land,
    möglicherweise auf der ganzen Welt, Menschen in kalten Schweiß gebadet aufwachten oder an ihre Liebsten dachten und Angst um sie hatten, Kinder weinten, ohne zu wissen warum.
    Alte Menschen glaubten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen.
    Sie hörte das Dröhnen einer Kollision auf dem Freeway, den sie gerade verlassen hatte, gefolgt von noch einem und noch einem - immer mehr Autos, deren Fahrer einen Augenblick des Entsetzens abgelenkt gewesen waren, rasten ineinander. Hupen ertönten in der Nacht.
    Die Welt ist rund, sagte sie sich, wie das Lenkrad, das ich in Händen habe. Ich kann nicht herunterfallen. Ich kann nicht herunterfallen. Sie klammerte sich an diesen Gedanken ebenso verzweifelt wie an das Lenkrad und fuhr weiter Richtung Stadt.

    581
    Clark, der nach Scheinwerfern Ausschau hielt, sah Lichter den Hügel heraufkommen. Sie waren aber so langsam, daß es keine Scheinwerfer sein konnten. Weil er neugierig war, verließ er seinen Posten und ging ein Stückchen hinunter. Er kam etwa zwanzig Meter weit, da offenbarte eine Kurve der Straße die Ursache des Leuchtens. Es waren Menschen. Fünfzig,
    möglicherweise mehr, kamen zum Gipfel; ihre Körper und Gesichter waren verschwommen, aber alle leuchteten im Dunkeln wie Halloweenmasken. Der Menge voraus gingen
    zwei Jugendliche, die ganz normal aussahen. Aber wenn man die Meute betrachtete, die sie im Schlepptau hatten, mußte man daran zweifeln. Der Junge sah den Hügel herauf zu ihm. Clark wich zurück und drehte sich um, damit er etwas Distanz zwischen sich und den Mob bringen konnte.
    Rab hatte recht gehabt. Er hätte schon viel früher verschwinden und die verdammte Stadt ihren eigenen Belangen
    überlassen sollen. Er war eingestellt worden, um Eindringlinge und Störenfriede von der Party fernzuhalten, nicht um Wirbelwinde und lebende Fackeln aufzuhalten. Genug war genug.
    Er warf das Funkgerät weg und kletterte über den Zaun auf der anderen Seite des Hauses. Auf dieser Seite war das Gestrüpp dicht und der Boden fiel steil ab, aber er ließ sich in die Dunkelheit rutschen, und es war ihm einerlei, ob er die andere Seite des Hügels in Fetzen erreichte; er wollte nur, wenn der Mob das Tor erreichte, so weit von dem Haus
    entfernt sein wie möglich.

    Grillo hatte in den zurückliegenden Tagen Dinge gesehen, die ihm fast den Verstand geraubt hatten, aber er hatte Mittel und Wege gefunden, sie in sein Weltbild einzubauen. Doch jetzt hatte er einen Anblick vor sich, der so durch und durch jenseits eines jeglichen Verstehens war, daß er nur eines konnte, nämlich nein dazu sagen.
    582
    Nicht einmal, sondern ein dutzendmal.
    »Nein... nein...«, und so weiter, »nein.«
    Aber das Verneinen nützte nichts. Der Anblick ließ sich nicht beeindrucken. Er blieb. Und verlangte, gesehen zu werden.
    Die Finger des Jaff waren in die solide Wand eingedrungen und hielten sie umklammert. Jetzt ging er einen Schritt zurück, dann noch einen, und zog die Substanz der Wirklichkeit mit sich, als wäre sie in der Sonne warm gewordene Schokolade.
    Die Jahrmarktsbilder, die an der Wand hingen, wurden
    verzerrt; die Kanten zwischen Wand und Decke sowie Wand und Boden verloren ihre Starre und wölbten sich zu den Fingern des Künstlers

Weitere Kostenlose Bücher