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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Nachruf schreiben müssen. Sie sind?«
    »Howie Katz.«
    »Ich würde Ihnen ja die Hand schütteln, aber meine ist nicht mehr zum Schütteln geeignet.« Er hob den mit dem Hemd verbundenen Arm. »Ich weiß nicht, was da draußen passiert ist, aber ich werde keinen Vertrag mehr abfassen. Vielleicht kann ich mich glücklich schätzen, wissen Sie? War sowieso ein blöder Job.«
    »Was denn?«
    »Staranwalt. Kennen Sie den Witz? Was haben Sie, wenn drei Staranwälte bis zu den Hälsen in Scheiße stecken?«
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    »Was?«
    »Nicht genug Scheiße.«
    Byrne lachte lauthals darüber.
    »Wollen Sie es sehen?« sagte er und wickelte die Hand aus.
    Sie war kaum mehr als solche erkennbar. Finger und Daumen waren geschwollen und zusammengewachsen.
    »Wissen Sie was?« sagte er. »Ich glaube, sie versucht, sich in einen Pimmel zu verwandeln. Ich habe mit dieser Hand jahrelang Leute mit meinen Verträgen in den Arsch gefickt, und endlich hat sie die Botschaft begriffen. Sieht aus wie ein Pimmel, finden Sie nicht? Nein, sagen Sie es mir nicht. Gehen wir.«

    Tommy-Ray spürte, wie das Meer der Träume an ihm
    arbeitete, aber er vergeudete keine Anstrengung damit, sich anzusehen, welche Veränderungen es bewirkte. Er ließ der Wut, die die Veränderungen nährte, einfach freien Lauf.
    Vielleicht brachte das - Wut und Rotz - die Phantome
    zurück. Er wurde ihrer zuerst als Erinnerung gewahr, als sein Geist sich vorstellte, wie sie ihn die verlassenen Highways von Südkalifornien entlang verfolgt hatten, ihre Wolke wie Blechdosen, die man am Schwanz eines Hundes festgebunden hatte. Kaum gedacht, da spürte er sie auch schon. Ein kalter Wind wehte ihm ins Gesicht, den einzigen Teil von ihm, der über die Wasseroberfläche hinausragte. Er wußte, was zu ihm kam. Er roch den Geruch der Gräber und den Staub aus den Gräbern. Aber erst als das Meer um ihn herum zu brodeln anfing, schlug er die Augen auf und sah die Wolke über sich kreisen. Sie war nicht mehr der gewaltige Sturm wie im Grove; Vernichter von Kirchen und Mamas. Sie war eine irre
    kreisende Spirale aus Dreck. Aber das Meer wußte, daß sie zu ihm gehörte, und bearbeitete seinen Körper aufs neue. Er spürte, wie seine Glieder schwerer wurden. Sein Gesicht brannte teuflisch. Er wollte sagen: Das ist nicht meine Legion.
    635
    Gib mir nicht die Schuld an dem, was sie empfinden. Aber welchen Sinn hatte es zu leugnen? Er war der Todesjunge, jetzt und für immer. Die Essenz wußte es und richtete sein Wirken danach aus. Hier gab es keine Lügen. Keine Anmaßungen. Er sah zu, wie die Geister zur Wasseroberfläche herabstießen und ihn immer enger umkreisten. Das Brodeln des Äthers der Essenz wurde ungestümer. Er wurde wie ein Korken
    herumgewirbelt und umgedreht. Er versuchte, die Arme über den Kopf zu heben, aber sie waren bleischwer, und das Meer schlug einfach über dem Kopf zusammen. Er hatte den Mund offen. Essenz strömte in seinen Hals, in den Körper. In der Verwirrung erfüllte ihn eine felsenfeste Überzeugung - welche die Essenz, die er nun in ihrem bitteren Ganzen geschluckt hatte, zu ihm trug. Daß etwas Böses des Wegs kam, wie er es noch niemals erlebt hatte. Er spürte es zuerst in der Brust, dann in Magen und Eingeweiden. Schließlich im Kopf, gleich einer erblühenden Nacht. Sie hieß Iad, diese Nacht, und die Kälte, die sie mit sich brachte, hatte auf keinem Planeten des Sonnensystems ihresgleichen; nicht einmal auf denen, welche so weit von der Sonne entfernt waren, daß sie kein Leben hervorbringen konnten. Keinem war so eine tiefe, so eine mörderische Dunkelheit eigen.
    Er stieg wieder zur Oberfläche empor. Die Phantome waren gegangen, aber nicht fort, sondern in ihn gedrungen; sie waren als Teil des Wirkens der Essenz in seine verwandelte Anatomie eingegliedert worden. Plötzlich war er auf perverse Weise froh darüber. In der bevorstehenden Nacht gab es keine Rettung, es sei denn für jene, die ihre Verbündeten waren. Daher war es besser, ein Tod unter vielen Toden zu sein, wenn er die Hoffnung hatte, beim Holocaust übergangen zu werden.
    Er holte Atem, stieß ihn als Gelächter wieder aus und hob die neugestalteten Hände, so schwer sie waren, zum Gesicht.
    Es hatte endlich die Form seiner Seele angenommen.

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    Howie und Byrne kletterten ein paar Minuten, aber so hoch sie auch kamen, der beste Ausblick war immer ein Stück über ihnen: das Schauspiel der Rauchsäule. Je näher sie ihr kamen, um so rührender fand es Howie, wie Byrne von dem

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