Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
zurückließ. Jetzt sah sie ihn zum dritten Mal, aber noch intensiver.
    »Grillo ist hier?« sagte er.
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Warum was?«
    »Warum sind Sie hier?«
    »Um Sie zu finden«, erklärte sie. »Wir brauchen... wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Die Augen des Irren sahen in Teslas Richtung. Eine vage andere Gestalt schwebt um ihn, dachte sie, wie ein Schatten, der durch Rauch geworfen wird. Ein zu grotesken Proportionen angeschwollener Kopf. Sie versuchte, nicht zu angestrengt darüber nachzudenken, was es war oder was sein Auftauchen zu bedeuten hatte. Es ging hier nur um eines: diesen
    Wahnsinnigen dazu zu bringen, seine Geheimnisse
    preiszugeben. Vielleicht war es am besten, wenn sie gleich zu Beginn ihr eigenes preisgab.
    »Wir beide haben etwas gemeinsam«, sagte sie. »Eigentlich ein paar Dinge, aber eines ganz besonders.«
    679
    »Der Nuncio«, sagte er. »Fletcher hat Sie zu ihm geschickt, und Sie konnten nicht widerstehen.«
    »Das stimmt«, sagte sie, weil sie es vorzog, ihm
    zuzustimmen, anstatt zu widersprechen und seine
    Aufmerksamkeit möglicherweise zu verlieren. »Aber das ist nicht wichtig.«
    »Was dann?«
    »Kissoon«, sagte sie.
    Seine Augen flackerten.
    »Er hat Sie geschickt«, sagte er.
    Scheiße, dachte sie, damit hab' ich's versaut.
    »Nein«, sagte sie hastig. »Überhaupt nicht.«
    »Was will er von mir?«
    »Nichts. Ich bin nicht seine Botschafterin. Er hat mich aus denselben Gründen in die Schleife geholt wie Sie vor Jahren.
    Können Sie sich daran erinnern?«
    »O ja«, sagte er mit vollkommen farbloser Stimme. »Schwer zu vergessen.«
    »Aber Sie wissen, warum er Sie in die Schleife holte?«
    »Er brauchte einen Schüler.«
    »Nein. Er brauchte einen Körper.«
    »O ja. Den wollte er auch.«
    »Er ist ein Gefangener dort, Jaffe. Er kann nur heraus, indem er einen Körper stiehlt.«
    »Warum sagen Sie mir das?« fragte er. »Haben wir vor dem Ende nichts Besseres zu tun?«
    »Dem Ende?«
    »Der Welt«, sagte er. Er lehnte den Rücken an die Felswand und ließ sich von der Schwerkraft auf die Hacken ziehen. »Das wird passieren, oder nicht?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Jaffe hob die Hände vors Gesicht. Sie waren überhaupt nicht verheilt. Das Fleisch war an mehreren Stellen bis auf die Knochen durchgebissen. Zwei Finger und der Daumen der rechten 680
    Hand fehlten völlig.
    »Ich habe Visionen«, sagte er, »von Dingen, die Tommy-Ray sieht. Etwas ist auf dem Weg...«
    »Können Sie sehen, was es ist?« fragte sie ihn, weil sie unbedingt einen Hinweis auf die Natur der Iad haben wollte.
    Kamen sie mit Tand oder mit Bomben?
    »Nein. Nur eine schreckliche Nacht. Eine immerwährende Nacht. Ich will sie nicht sehen.«
    »Sie müssen hinsehen«, sagte Tesla. »Müssen Künstler das nicht immer tun? Hinsehen, immer wieder hinsehen, auch wenn das, was sie ansehen, fast unerträglich ist? Sie sind ein Künstler, Randolph...«
    »Nein. Das bin ich nicht.«
    »Sie haben das Schisma aufgetan, oder nicht?« sagte sie.
    »Ich will nicht sagen, daß ich Ihren Methoden zustimme, nein, aber Sie haben etwas getan, was kein anderer gewagt hat.
    Vielleicht, was kein anderer konnte.«
    »Kissoon hatte alles so geplant«, sagte Jaffe. »Das ist mir jetzt klar. Er hat mich zu seinem Lehrling gemacht, ohne daß ich es gemerkt habe. Er hat mich benützt.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Tesla. »Ich glaube, nicht einmal er hätte etwas so Byzantinisches planen können. Wie hätte er wissen sollen, daß Sie und Fletcher den Nuncio entdecken würden? Nein. Was mit Ihnen geschehen ist, war nicht geplant... Sie waren Ihr eigener Agent, nicht der von Kissoon. Die Macht liegt bei Ihnen. Und auch die
    Verantwortung.«
    Sie ließ das Argument eine Weile einwirken, auch, weil sie so erschöpft war. Jaffe ging aber nicht darauf ein. Er sah einfach in das Pseudofeuer, das bald erlöschen würde, und dann auf seine Hände. Erst nach einer ganzen Weile sagte er:
    »Sie sind hier heruntergestiegen, um mir das zu sagen?«
    »Ja. Sagen Sie mir nicht, daß ich umsonst gekommen bin.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    681
    »Daß Sie uns helfen.«
    »Es gibt keine Hilfe.«
    »Sie haben das Loch aufgerissen, Sie können es auch wieder schließen.«
    »Ich gehe nicht einmal in die Nähe dieses Hauses.«
    »Ich dachte, Sie wollten Essenz«, sagte Tesla. »Ich dachte, es wäre Ihre größte Ambition, dort zu sein.«
    »Ich habe mich geirrt.«
    »Sie haben das durchgemacht, nur um herauszufinden, daß Sie sich geirrt haben? Warum

Weitere Kostenlose Bücher